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ein Bad in dieser Jahreszeit wär' eine üble Zache. So, da hätten wir
sie schon. Wie wunderschön sie sind! Die rein weißen Glöckchen, an
schwanken Stielen hängend, mit den grünen Tupfen an jeder Blumen¬
blattspitze sind das Schönste, was uns der Ñuenwald im Frühjahr schenkt.
Zwischen den welken Blättern und dem dürren Gras des Waldbodens
erscheinen die Schneeglöckchen wie Märchenprinzessinnen im armen Ñll-
tagsleben. Schau', was ist denn das für ein sonderbares Gewächs hier
unter dem Haselstrauch? Vicht gedrängt schieben sich dicke, fleischfarbene
Stengel aus dem weichen Erdboden hervor, die einseitig mit rosa und
gelbweißen Blüten besetzt sind. Ls ist die Schuppenwurz, eine der wenigen
Blütenpflanzen, die keine Spur von Grün an sich tragen. Könnten wir
mit einem kleinen Spaten nachgraben, so würden wir finden, daß die
Stengel tief in den Erdboden hinabreichen und dort mit dickfleischigen,
schuppigen Blättchen besetzt sind. Ñus diesen unterirdischen Stengeln
wachsen auch lange Wurzelfäden hervor, und wenn man recht genau nach¬
forscht, findet man, daß diese Fäden sich an die Wurzeln anderer Pflanzen
anlegen und ihnen Uahrungsstoffe wegnehmen. Pflanzen, die das tun,
nennt man Schmarotzer. Kein Wunder, daß sich die Schuppenwurz beim
Förster keiner großen Beliebtheit erfreut. — paß auf, da kommt mit leisem
Gebrumm eine dicke Hummel herangeflogen, dicht am Boden hin. Sie
muß erst aus der Winterruhe erwacht sein und sucht nun begierig eine
Nahrungsquelle auf. Jetzt hat sie die Schuppenwurzpflanzen erreicht.
Sieh nur, wie gut sie da Bescheid weiß, wie sicher sie den engen Eingang
der Blüten findet. Sie kann sich satt trinken. Ihr Brummeln klingt uns
wie ein Ñusdruck ihres Wohlbehagens.
„Ls ist doch sonderbar, daß wir sonst heute recht wenig vom Tier¬
leben gemerkt haben. Stecken die Tiere noch in ihren Winterherbergen?"
Ja, du hast ganz recht, die meisten Tiere erwachen im ersten Frühjahr
etwas später als die Pflanzen. Sie brauchen im allgemeinen mehr Wärme,
und du weißt ja, viele brauchen die Pflanzen zu ihrem Lebensunterhalte,'
da müssen sie schon ein wenig später erscheinen. Wenn wir in den nächsten
Tagen wieder in den Wald herauskommen, wollen wir einmal unter
Laub und Moos und unter der Kinde alter, morscher Baumstümpfe nach¬
forschen. Da kannst du dich überzeugen, welche Menge von kleinem
Getier dort wohlgeborgen noch des Frühlings harrt. Für heute wird's zu
spät,' die Tage sind ja noch kurz, und auf den Heimweg müssen wir eine
gute Stunde rechnen.
Dort auf der Lichtung ein Kudel Kehe! Sie bleiben unbeweglich
stehen und äugen zu uns herüber. Daß wir ihnen nicht gefährlich werden,
wissen sie längst. Jetzt geht's in leichtem Trab weiter, und bald sind sie
im Unterholz verschwunden.