Full text: Lese- und Lehrbuch für gewerbliche Fortbildungsschulen und andere gewerbliche Lehranstalten

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IV. Die Rohstoffe des Gewerbes und ihre Verarbeitung. 
Man muß sich beim Gips hüten, ihn während des Brandes einer zu 
hohen Temperatur auszusetzen. Er muß nämlich ein Viertel des ihm 
zukommenden Wassers behalten. Ist ihm dieses durch eine Wärme von 
20090 entzogen, so geht er mit Wasser nicht mehr jene feste Ver— 
bindung ein; er ist totgebrannt. Der gebrannte Gips wird zwischen 
Mühlsteinen und Walzen zu einem feinen Mehle vermahlen, das nun 
unmittelbar zu Mörtel verwendet werden kann. Das ist seit alters her 
bekannt und vielfach angewendet. So besteht der Mörtel, mit dem die 
Cheops⸗Pyramide erbaut ward, zum größten Teil aus Gips. An 
Festigkeit übertrifft der Gips, den man natürlich besonders in gips— 
reichen Gegenden verarbeitet, sogar den Kalkmörtel. So halten die 
Bruchsteine, aus denen eine 1530 bei Osterode zerstörte Burg erbaut 
war, heute noch fest zusammen. Der sie verbindende Gips ist sogar 
noch fester als die Steine. Neuerdings führt er sich als Bindemittel 
zu Bauten immer mehr ein, da er in der Kälte nicht leidet wie der 
Kalk und selbst bei einer Temperatur von — 109 noch das Mauern 
gestattet. Aber seine hervorragenden Eigenschaften verschaffen ihm auch 
als Material für Fußböden, als Kitt und zu den Stukkaturarbeiten 
ausgiebige Verwendung bei Bauten. Die letztgenannten Dienste leistet 
er infolge seiner Fähigkeit, sich leicht in Formen bringen zu lassen, 
wegen welcher er ebenfalls bereits im grauen Altertume berühmt war. 
Abgüsse für Bildhauerarbeiten und Münzen, Formen für Metallgießereien 
und für die Zwecke der Galvanoplastik, auch Abformungen von lebenden 
Pflanzen und menschlichen Körperteilen erlaubt der Gips in unvergleich— 
licher Vollendung herzustellen. Namentlich ist die Herstellung der Gips— 
figuren neuerdings in hohem Grade vervollkommnet. Man versteht es, 
die Masse mit Alaun zu härten und ihr durch Tränken mit Wachs 
oder Fett ein marmor- oder elfenbeinartiges Aussehen zu geben. Man 
vermag sie zu färben und auch galvanisch zu versilbern oder zu ver— 
golden. So werden auch den minder Bemittelten die berühmten Werke 
der Bildhauerkunst in Nachbildung zugänglich gemacht. Der Arzt 
gebraucht den Gips, um zerbrochene Gliedmaßen unverrückbar einzu— 
betten, der Landmann, um seinen Kleeacker damit zu düngen. 
3. Für Bauten im Wasser oder in feuchter Erde sind die bisher 
beschriebenen Bindemittel unzulänglich. Man ist bei Wasserbauten auf 
solche Mörtel angewiesen, die gerade im Wasser erhärten, auf die sog. 
Zemente. Diese waren schon den Römern bekannt. Ihnen dienten 
Trümmer vulkanischer Auswurfstoffe von Puteoli und aus der Gegend 
von Bonn am Rhein, welche diese Eigenschaft erlangen, wenn man sie 
mit gelöschtem Kalk vermengt. Die Neuzeit verwendet die Beobachtung 
Smeatons vom Jahre 1759, daß Mörtel aus tonhaltigem Kalk, welchen 
er für den Bau des Eddystoner Leuchtturms 1774 verwertete, im Wasser 
erhärtet. Parker erfand 1796 den Romanzement. Man erhält den— 
selben einfach durch das Brennen gewisser Tonmassen als ein rotbraunes 
Pulver. Das Material besteht nämlich aus kohlensaurem Kalk und 
kieselsaurer Tonerde, und beim Brennen entweicht die Kohlensäure, 
während der Kalk sich teilweise mit der Kieselsäure verbindet. Wird
	        
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