Full text: Lese- und Lehrbuch für gewerbliche Fortbildungsschulen und andere gewerbliche Lehranstalten

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IV. Die Rohstoffe des Gewerbes und ihre Verarbeitung. 
kohlensaure Natron, das als Brausepulver Anwendung findet, wird 
aus Kochsalz erzeugt, ebenso der Borax, den man beim Löten und als 
Flußmittel benutzt. Da beim Umwandeln des Kochsalzes in andere 
Salze wichtige Nebenprodukte entstehen und man bei der Gewinnung von 
Glaubersalz, Soda u. s. w. wieder eine ganze Reihe von anderen 
chemischen Stoffen braucht, die zu ihrer Erzeügung ebenfalls wieder 
viele Hände in Tätigkeit setzen, so kann man mit Recht behaupten, 
daß das Kochsalz im Mittelpunkte der ganzen modernen chemischen 
Industrie steht. Nach Verschiedenen. 
178. Etwas aus der Chemie. 
1. Die Gewinnung der Soda aus gewöhnlichem Kochsalze kann als 
Grundlage des außerordentlichen Aufschwungs betrachtet werden, welchen 
die moderne Industrie nach allen Richtungen genommen hat; sie gewährt 
ein belehrendes Beispiel des innigen Zusammenhanges, welcher die ver— 
schiedenen Zweige der Industrie und des Handels untereinander und 
wiederum mit der Chemie verbindet. 
Die Soda oder ihr Hauptbestandteil, das Natron, dient in Frankreich 
seit undenklichen Zeiten zur Bereitung der Seife und des Glases, zweier 
Produkte der chemischen Industrie, durch welche an und für sich schon 
große Kapitalien in Bewegung gesetzt werden. Die Seife ist ein Maß⸗ 
stab für den Wohlstand und die Kultur. Man kann bei Vergleichung 
zweier Staaten von gleicher Einwohnerzahl mit Gewißheit denjenigen für den 
reicheren und gesitteteren erklären, welcher die meiste Seife verbraucht; denn der 
Verkauf und der Verbrauch der Seife hängt nicht von der Mode ab, 
sondern von dem Gefühle des Wohlseins, der Behaglichkeit, welches aus 
der Reinlichkeit entspringt. Wo dieser Sinn neben den Anforderungen 
anderer Sinne berücksichtigt und genährt wird, da ist Wohlstand und 
Kultur zugleich. Die Reichen des Mittelalters, welche mit wohlriechenden, 
kostbaren Spezereien die üble Ausdünstung ihrer Haut und ihrer Kleider, 
die nie mit Seife in Berührung kamen, zu ersticken wußten, trieben im 
Essen und Trinken, in Kleidern und Pferden größeren Luxus als wir; 
aber welche Kluft bis zu uns, wo Schmutz und Unreinlichkeit gleichbe— 
deutend sind mit Elend und unerträglichstem Mißgeschick!l — Die Seife 
gehört endlich zu denjenigen Produkten, deren Kapitalwert unausgesetzt 
aus der Zirkulation verschwindet und wieder erneuert werden muß; es 
ist eins der wenigen Produkte der Industrie, welche nach dem Gebrauche 
wie Talg und Ol, die man als Erleuchtungsmittel verbrennt, absolut wertlos 
werden. Mit alten Glasscherben kann man Fensterscheiben, mit alten 
Lumpen Kleider kaufen; mit Seifenwasser läßt sich aber in unserm 
Haushalte nichts anfangen. Eine Ausmittelung des Kapitals, welches 
durch die Seifensiederei im Umlauf erhalten wird, wäre von großem 
Interesse; denn es ist sicher ebenso bedeutend wie dasjenige, welches im 
Kaffeehandel zirkuliert, mit dem Unterschiede, daß das Kapital der Seifen— 
fabrikation zum großen Teil auf unserm Grund und Boden entsteht. 
Für Soda allein gingen von Frankreich aus jährlich 202—30 Millionen 
Frank nach Spanien; denn die spanische Soda war die beste. Der Preis
	        
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