2
92
IV. Die Rohstoffe des Gewerbes und ihre Verarbeitung.
der chemischen Fabrikation weder das Kali, noch das Natron, sondern nur
die damit verbundene Salpetersäure in Anschlag kam, so verdrängte in
unglaublich kurzer Zeit der Chili- oder Natronsalpeter den indischen oder
Kalisalpeter so gut wie ganz aus dem Handel. Die Schwefelsäure-Fabri—
kation gewann einen neuen Aufschwung. Ohne Nachteil für den Fabri—
kanten sank ihr Preis fortdauernd. Jetzt ist er fest geworden, nachdem
die unterdrückte Schwefelausfuhr aus Sizilien ihn für einige Zeit im
Schwanken erhalten hatte. Die verminderte Nachfrage nach Kalisalpeter
erklärt sich jetzt leicht. Nur zur Pulverfabrikation wird jeßt noch dieser
Salpeter verwendet, und wenn die Regierungen Hunderttausende an dem
Preise des Pulvers ersparen, so verdanken sie dies der Schwefelsäure—
Fabrikation.
Um sich eine Vorstellung über den Verbrauch der Schwefelsäure zu
machen, reicht es hin, zu erwähnen, das eine kleine Schwefelsäure-Fabrik
b000 Zentner, eine mäßig große 20000 Zentner Schwefelsäure in den
Handel bringt; es gibt Fabriken, welche 60000 Zentner jährlich er—
zeugen. Durch die Schwefelsäure-Fabrikation fließen ungeheuere Summen
nach Sizilien; sie brachte in die öde Gegend Atakamas Gewerbefleiß und
Wohlstand. Sie ist es, welche die Platingewinnung in Rußland gewinn⸗
reich macht; denn die Konzentrationsgefäße der Schwefelsäure-Fabrikanten
sind von Platin, und ein jeder Kessel kostet 190020000 Gulden. Das
immer schönere und wohlfeilere Glas, unsere vortreffliche Seife, sie werden
heutzutage nicht mehr mit Holzasche, sondern mit Soda dargestellt.
Unsere Asche fließt als der kostbarste und nützlichste Dünger unseren
Feldern und Wiesen zu.
4. Wir können hier nicht alle Anwendungen der Schwefelsäure, der
Salzsäure und des Natrons verfolgen, allein kaum dürfte man vermuten,
daß die so schönen Stearinsäure-Kerzen und unsere vortrefflichen Reib—
zündhölzchen nie in Gebrauch gekommen sein würden, ohne die so außer—
ordentliche Vervollkommnung der Schwefelsäure-Fabrikation. Die jetzigen
Preise der Schwefelsäure, Salzsäure, Salpetersäure, der Soda, des
Phosphors ꝛc. würde man vor 50 Jahren für fabelhaft erklärt haben.
Wer kann voraussehen, welche neuen Fabrikationen wir in weiteren 25
Jahren erhalten werden!
Man wird nach dem Vorhergehenden die Behauptung nicht für über—
trieben halten, daß die chemische Industrie eines Landes mit großer Ge—
nauigkeit nach der Anzahl von Pfunden Schwefelsäure beurteilt werden
kann, die man in diesem Lande verbraucht.
S. v. Liebig.
179. Das Glas.
1. Das Glas, das heute in mannigfachen Formen und Farben
überall Verwendung findet, hat seine große Verbreitung erst seit ver—
hältnismäßig kurzer Zeit erlangt, obschon es bereits z. 3. der Geburt
Christi zur Herstellung von Glasgefäßen vielfach in ÄAnwendung war.
Plinius, ein römischer Schriftsteller, der kurz nachher lebte, neunt die
Phönizier als Erfinder des Glases. Sie sollen beim Aufbau eines