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IV. Die Rohstoffe des Gewerbes und ihre Verarbeitung.
Anwendung von Schmirgel, Sand, Bimsstein, Polierschlamm und
Zinnasche ausgeführt. Glasätzung erfolgt durch Anwendung von
Flußsäure in Dämpfen oder in wässeriger Lösung, in neuerer Zeit
verwendet man als Ersatz für die Ätzung das Sandgebläse, bei welchem
der durch einen starken Luftstrom gegen das teilweise mit Patronen
belegte Glas geschleuderte Sand Verzierungen in mattierter Zeichnung
hervorbringt. Glasvergoldung, Einbrennen einer zähen Mischung
aus Terpentin, Borax und Goldlösung, wird namenllich bei vertieft
gravierten Ornamenten angewendet. Glasbemalung känn nur mit
feuerbeständigen oder Schmelzfarben zur Ausführung gelangen. Glas—
gemälde werden mit Ausnahme der nicht durchscheinenden, für auf—
fallendes Licht berechneten Arbeiten in Hinterglasmalerei aus
Stücken durchsichtig gefärbten Glases zusammengesetzt. Marmoriertes
Glas erhält man durch Zusammenmischen von verschieden gefärbten
Glasstücken. Filigranglas oder Fadenglas besteht aus Bündeln
weißer oder farbiger Glasfäden, welche in durchsichtiges Glas einge⸗
schlossen, spiralig gedreht und aneinandergeschweißt sind und durch
Ausblasen zu Gefäßformen den Anlaß zu reizvollen Verzierungsmotiven
gegeben haben. Glasperlen WVenetianerperlen, Stickperlen)
entstehen durch das Zerhacken dünner farbiger Glasröhren; feine
Schmuckperlen werden an der Glasbläserlampe gemacht. Glas—
seide, elastische Glasfäden von äußerster Zartheit, kann man zur
Nachahmung von Textilarbeiten aller Ärt derwenden. Oxydiertes
Glas schillert in den Farben des Regenbogens
Da man somit den verschiedenen Glasarten in Form und Farbe
mannigfachen Reiz und hohe Schönheit verleihen kann, so ist das Glas
nicht nur berufen, uns vielfachen Nutzen zu gewähren, sondern auch
Auge und Gemüt zu erfreuen. Nach Dr. Obst, Paulick, Hein u. a.
180. Das Glas im Dienste der Wissenschaft.
1. In der Vorzeit, als die Menschen noch keine genaue Kenntnis hatten
von den Vorgängen am Himmel, von der Bewegung der Himmelskörper
und ihrer Anordnung, da mußte ihnen das alles so wunderbar und
übersinnlich erscheinen, daß sie Sonne, Mond und Sterne zu Gottheiten
stempelten, zu ihnen beteten oder ihre Geschicke mit dem Laufe der Ge—
stirne verknüpft glaubten. Heute hat der menschliche Geist Mittel ge—
funden, tief hineinzudringen in den erhabenen Grundriß des Weltalls,
dem Laufe der Planeten zu folgen, jihre Bahnen zu berechnen, ihre Größe
zu messen, ihre Oberfläche kennen zu lernen und die Vorgänge auf fernen
Fixsternen zu beobachten. Und wem verdankt der Mensch diese Wissen—
schaft? Einem schlichten Kristalle, den er aus Kieselsäure, Kalk und
Kali oder Natron hergestellt hat, dem Glase. Die wunderbare Eigen⸗
schaft dieses Stoffes Lichtstrahlen nicht nur durchzulassen, sondern ihnen
durch seine eigentümliche Form eine veränderte Richtung vorzuschreiben,
läßt den Blick sich weit, weit über unseren kleinen Planeten erheben und
die Fernen des Himmels durchqueren, läßt von entfernten Himmelskbrpern
dauernde Bilder auf die photographische Platte zaubern und Wunder der