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kühle Zurückhaltung war. Aber das sollte anders werden^
das gelobte er sich selbst zähneknirschend, als er nun
Goslar erreicht hatte. Schon am folgenden Tage wollte
er einen Befehl ergehen lassen ins ganze Reich; alle
Vasallen sollten sich mit ihren Kriegern in Goslar
einfinden, und gedemütigt, vernichtet werden sollte der
trotzige Herzog, zerschlagen und geknechtet das Lolk, welches
aus seine alten Rechte pochte.
Ein schwüler Wind wehte durch die Schluchten des
Harzes; Wetterwolken stiegen hinter den himmelhohen
Gebirgsrnassen auf, gelbe Blitze zuckten durch die Luft
uud^ von fern rollte ein dumpfer Donner herüber, in
vielfachem Echo an den hohen Bergen wiederhallend. —
Unruhig schritt der Kaiser im hohen Saale auf und
ab. Seine Begleiter hielten sich fern von ihm, denn sie
sahen die Wolke des Unmuts auf der Stirn des finstern,
tyrannischen Herrschers, und sie wußten, es war nicht
geraten, ihm dann in den Weg zu treten. Nur sein
Kaplan, ein noch junger, demütiger Priester, stand in
einem Winkel des Saales und schaute mit besorgten
Blicken auf seinen Gebieter. Der Kaiser schien ihn
anfangs nicht zu bemerken, jetzt aber winkte er ihn zu
sich, sah ihn eine Weile an und sprach: „Bruder Fran¬
ziskus, die Leute sagen, daß Du ein frommer Mann bist,
und ich glaube es. Aber heute will ich sehen, ob Du
auch ein kluger Mann bist. Darum sage mir, was
würdest Du thun, wenn Du ber Kaiser wärest? Würbest
Du nicht auch, wie ich es zu thun entschlossen bin, mit
grimmer Gewalt bas nichtswürbige Volk biefes Laubes
zerschlagen, unb nicht ruhen, bis ber treulose Vasall, ber
Supplingenburger, gefesselt vor meinem Throne im Staube
sich beugt?"
„O Herr", entgegnete ber junge Priester zitternb,
„Ihr fragt mich armen, unerfahrenen Mann nach Dingen,
von benen ich nichts verstehe; erlaßt mir baher, ich bitte
Euch, bie Antwort. Nicht um Welthänbel habe ich mich
bekümmert; mein ganzes Sinnen unb Trachten ist nur
darauf gerichtet, Gott zu bienen unb feinen Willen zu