übersehen. Vielleicht ist auch ihre Kleinheit der Grund, warum sie ein
so zähes Leben haben; namentlich ihre Keime oder Sporen, durch die
sich manche Pilze fortpflanzen, sind ungemein widerstandsfähig gegen äußere
Einflüsse. Sie vertragen Kälte- und Wärmegrade, bei denen jedes andere
Geschöpf zu Grunde geht. Darin liegt ihre große Gefährlichkeit.
Nur Trockenheit ist Gift für die meisten. Im dürren Wüstensande
stirbt der Cholerapilz sehr rasch ab. Sie verhalten sich darin wie echte
Pilze. Am besten gedeihen sie da, wo Feuchtigkeit und Wärme sich finden.
Daraus erklärt sich bei manchen Seuchen der Einfluß der Bodenverhält¬
nisse. Ein trockener, felsiger Boden ist für die Pilze kein einladender
Aufenthalt; deshalb werden solche Orte verschont. Anderwärts, wo die
Erde reichlich mit faulenden Stoffen durchsetzt ist, haben sie reichliche
Nahrung, und die Seuche breitet sich stärker aus. Ähnlich ist es beim
Sinken des Grundwassers; die warme Luft strömt nach, und alle niederen
Pilzformen finden die günstigsten Bedingungen zum Wachstum. Nun ist
es klar, warum das Trinkwasser an manchen Orten so gefährlich wird.
Es ist von Pilzen verunreinigt. Auch darüber kann man sich nicht mehr
wundern, daß der bloße Anblick der Kranken ansteckend wirkt. Die Luft
trügt die Pilze herüber zu dem Besucher. Ebenso erklärt es sich mit
leichter Mühe, daß zwischen dem Augenblick der Ansteckung und dem Aus¬
bruch der Krankheit einige Zeit verfließt.
Die wenigen Pilze, die den Menschen zuerst befallen, sind nicht im¬
stande, etwas auszurichten. Erst wenn aus ihnen viele Milliönen hervor¬
gegangen sind, was indes sehr schnell geschieht, bricht die Krankheit aus.
Wie sie in den Menschen hineingelangen, darüber kann kein Zweifel sein.
Manche setzen sich in der Haut fest; aber nur da können sie haften, wo die
Haut einen Riß hat oder abgekratzt ist, oder sie werden mit der Luft ein¬
geatmet und nehmen dann ihren Weg durch die Lungen. Die meisten aber
gelangen mit den Speisen in den Magen; hier müssen viele Pilze zu Grunde
gehen. Sie werden verdaut, durch den Magensaft unschädlich gemacht. Manche
. schlüpfen aber auch durch, und sie genügen, um die Krankheit hervorzurufen.
Man kennt jetzt die Pilze der Schwindsucht, der Cholera, des
Typhus, des Rückfallfiebers, des Rotzes, des Milzbrandes, der
Diphtheritis und noch viele andere. Sie sind größtenteils erst in den
letzten Jahren von dem berühmten Professor Robert Koch in Berlin ent¬
deckt worden. 1876 trat er mit seinen wissenschaftlichen Untersuchungen
über den Milzbrand in die Öffentlichkeit; in das Jahr 1882 fällt seine
Entdeckung des Tuberkelbazillus; neuen Erfolg brachte ihm das Jahr 1883
durch die Entdeckung des Kommabazillus, des Erregers der Cholera. Aber
noch ist die Reihe sehr lückenhaft; noch bleiben viele Fragen zu lösen. Viel¬
leicht wird die Zukunft auch hierüber Licht bringen. Vorderhand können
wir zufrieden sein, daß die Hauptfrage, das Rätsel der Ansteckung, gelöst
ist. Das ist ein großer Schritt vorwärts auf dem Wege der Erkenntnis.
So hatte nun die Menschheit dank einigen großen Männern ihre