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wird leicht gewonnen durch einen richtigen Zusammenschluß von vielen
zu einer Genossenschaft. In dieser gilt der Grundsatz „einer für viele,
und viele für einen", und dadurch wird das Vertrauen kapitalkräftiger
Personen leicht gewonnen, weil nicht mehr die einzelne Person sondern
eine geschlossene Anzahl von Personen gemeinsam für das Darlehn haftet
und genügende Sicherheit bietet.
Die Genossenschaft vermittelt dem Handwerker nicht bloß Kapital
und Kredit; sie erhöht und ordnet auch seine geschäftliche Tätigkeit, indem
sie ihn befähigt, bar zu zahlen, und ihn zwingt, stets eine klare Übersicht
über seine Geschäftslage zu gewinnen. Die Genossenschaft duldet nämlich
keine Unordnung und Unpünktlichkeit; sie verlangt unerbittlich die strengste
Ordnung im Geschäftsbetriebe und ist somit eine gute Schule für das
öffentliche und private Leben. „Die Genossenschaften" sagt der Engländer
Milt, „sind infolge ihrer Art, die Geschäfte zu betreiben, eine Schule
zur Erziehung der materiellen und moralischen Eigenschaften der Menschen,
der sich nur diejenigen fernhalten, die zu wenig Verstand oder zu wenig
Tugend besitzen, um für ein Handeln Verständnis zu haben, das außer¬
halb ihres Systems des krassesten Eigennutzes liegt." In unserer materiellen
Zeit ist es etwas Erhebendes, wenn wir sehen, daß Handwerker, die sonst
scharfe Konkurrenten sind, sich in der Genossenschaft zusammenfinden, um
unter Zurückstellung kleinlicher Interessen miteinander und füreinander
zu schaffen und zu wirken. Schöne Worte belehren nur; aber gemeinsame
Arbeit bringt die Menschen einander näher und versöhnt, was durch die
Verhältnisse getrieben sich feindlich gegenüberstand.
Wir haben in Deutschland ein besonderes Gesetz, das die Verhältnisse
der Genossenschaften regelt, das ist das Gesetz betreffend die Erwerbs- und
Wirtschaftsgenossenschasten vom 1. Mai 1889. Diejenigen Genossenschaften,
die nach Maßgabe dieses Gesetzes eingerichtet und im Genossenschaftsregister
eingetragen sind, haben die Rechte einer „eingetragenen Genossenschaft".
Als solche können errichtet werden:
а) Vorschuß- und Kreditvereine,
d) Rohstoffvereine,
c) Vereine zum gemeinschaftlichen Verkaufe landwirtschaftlicher
oder gewerblicher Erzeugnisse (Absatzgenossenschaften, Magazin¬
vereine),
б) Vereine zur Herstellung von Gegenständen und zum Verkaufe
derselben auf gemeinschaftliche Rechnung (Produktivgenossen¬
schaften),
s) Vereine zum gemeinschaftlichen Einkäufe von Lebens- oder
Wirtschaftsbedürfnissen im großen und Ablaß an die Mit¬
glieder im kleinen (Konsumvereine),
f) Vereine zur Beschaffung von Gegenständen des landwirt¬
schaftlichen oder gewerblichen Betriebes und zu deren Be¬
nutzung auf gemeinschaftliche Rechnung (Werkgenossenschaften),
g) Vereine zur Herstellung von Wohnungen.