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Kunst des Reimers und Singers, in der mich mein Vater ge¬ 
treuliehen Andenkens selbst noch unterwiesen, und der ich mich 
mein Leben lang ergeben, kommt immer mehr in Abnahme und 
Vergessenheit. Ich sehe es täglich mit Trauer an den jungen 
Gesellen, und da bilde ich mir ein, als sollte die alte deutsche 
Kunst durch Euch wieder zum rechten Ansehen gelangen. Viele 
Dinge sind eitel, mühsam und ermüdend, aber ein gutes Lied mit 
Gesang oder eine wohlgestellte Geschichte bleibt doch immer, 
was das Herz wieder ermuntert und den Geist erfrischt, wenn 
er sich verfangen und versessen hat; das sollte uns in keiner 
Zeit fehlen. Und darum, lieber Sachs, bleibet der guten Kunst 
des Keimens und Singens getreu! Wenn Ihr durch Städte und 
Länder wandert und der fremden und unbekannten Menschen 
viele trefft, so haltet Euch zu den Meistern und Gesellen, die 
Liebhaber des Gesanges sind, und Ihr werdet stets getreue und 
sittsame Freunde haben, die Toren meiden, die am Wege stehen, 
und auch noch manche andere Art der Künste und Geschicklich¬ 
keiten kennen lernen. Suchet also mühsam diese edlen Freunde 
des Gesanges auf und lasset Euch keinen Fleiß verdrießen, sie 
zu entdecken; denn diese halten sich am liebsten in der Ver¬ 
borgenheit auf und fallen nicht lärmend ins Auge. Wenn Ihr 
in große und berühmte Städte kommt, so erkundigt Euch also 
fein fleißig nach den Schulen der Sänger, lernt ihre Weisen und 
Lieder, und da Ihr des Schreibens schon ein wohlerfahrener 
Meister seid, so schreibt das Anmutigste in ein Büchlein zusammen 
und bringet es als einen wohlgesammelten Schatz der Erfahrung 
von Eurer Wanderschaft mit heim; denn Erfahrung krönt den 
Meister in allen Dingen. Sollte ich es dann noch dereinst erleben, 
daß Ihr auch als ein geringer Handwerksmann unsere alte Kunst 
in Eurer Vaterstadt wieder zu Ehren brächtet, so wollte ich Gott 
danken, daß Ihr kein gelehrter Herr geworden sondern bei Eurem 
Leisten geblieben seid. “ 
Dem freudigen Wanderer ging das Herz auf bei allen diesen 
liebreichen Reden seines gütigen Meisters, und er gelobte, dessen 
Rat redlich zu befolgen. Und als sie nun unter solchen und 
anderen Reden eine Weile gegangen waren, zog der getreue 
Meister Leonhard ein Brieflein aus seiner Tasche und sprach: 
„Ihr wandert nun auf Regensburg zu; dort hab’ ich vor Jahren 
einen redlichen und in allen Weisen und Tönen des damaligen 
Gesanges wohlerfahrenen Freund erworben, der Eures Handwerks 
ist und an den ich Euretwegen dies Brieflein gerichtet; tragt es 
zu ihm, so er noch am Leben ist, und gehabt Euch wohl! Walte 
es Gott mit Eurer Wanderschaft!“ 
Da drückte der getreue Meister Leonhard freudig dem lieben
	        
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