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lassen. — In diesem Zuge hast du den Charakter des Landvolks in
hürze. — Gutmütigkeit, Furchtsamkeit, tiefes Rechtsgefühl und eine stille
Ordnung und Wirtlichkeit, die, trotz seiner geringen Anlage zur Speku—
lation und gluͤcklichen Gedanken, ihm doch einen Wohlstand wege
Lbracht hat, der selbst den seines gewerbtreibenden Nachbars, des
Sauerländers, weit übertrifft. Der Münsterländer heiratet selten, ohne
un sicheres Einkommen in der Hand zu haben, und verläßt sich, wenn
ihm dieses nicht beschieden ist, lieber auf die Milde seiner Verwandten
oder seines Brotherrn, der einen alten Diener nicht verstoßen wird;
und wirklich giebt es keine, einigermaßen bemittelte Wirtschaft ohne ein
ar solcher Segenbringer, die ihre müden Knochen auf dem besten
Platze am Herde auswärmen. —
Bettler giebt es unter dem Landvolke nicht, weder dem Namen
noch der That nach, sondern nur in jeder Gemeinde einige „arme
Münner oder Frauen“, denen in bemittelten Häusern nach der Reihe
die Kost gereicht wird, wo dann die nachlässigste Mutter ihr Kind
krafen würde, wenn es an dem „armen Mann“ vorüberginge, ohne ihn
zu grüßen. So ist Raum, Nahrung und Frieden für alle da.
Der Münsterländer ist groß, fleischig, selten von großer Muskel—
lraft; seine Zuge find weich oft außenst leblich und immer durch
men Ausdruck von Güte gewinnend, aber nicht leicht interessant, da
se immer etwas Weibliches haben und selbst ein alter Mann oft
uenhafter aussieht, als eine Paderbörnerin in den mittleren Jahren;
u helle Haarfarbe ist durchaus vorherrschend; man trifft alte Flachs—
üpfe, die vor Blondheit nicht haben ergrauen können.
Dieses und alles dazu Gehörige — die Hautfarbe — blendend
weiß und rosig und den Sonnenstrahlen bis ins überreife Alter wider—
sehend, die lichtblauen Augen, ohne kräftigen Ausdruck, das feine Ge—
sicht mit fast lächerlich kleinem Munde, hierzu ein oft sehr anmutiges
und immer wohlwollendes Lächeln und schnelles Erröten stellen die
Schönhen beider Geschlechter auf sehr ungleiche Wege; es giebt nämlich
isi keinen Mann, den man als solchen wirklich schön nennen könnte,
hrend unter zwanzig Mädchen wenigstens fünfzehn als hübsch auf—
allen. Die weibliche Landestracht ist mehr wohlhäbig, als wohlstehend;
ucht viele Tuchröcke mit dicken Falten, recht schwere Goldhauben und
dilberkre ze an schwarzem Sammetbande, und bei den Ehefrauen Stirn—
hünder an möglichst breiter Spitze bezeichnen hier den Grad des Wohl⸗—
hundes, da selten jemand in den Laden geht ohne die nötigen blanken
Walet in der Hande un noch sellenen durch Puhiucht das richnge
Vrhaltnis zwischen den Kleidern und dem ungeschnittenen Leinen und
nderen häuslichen Schätzen gestört wird. — Der Hausstand in den
umneist vereinzelt liegenden Bauernhöfen ist groß und in jedem Betracht
kichlich, aber durchaus bäurisch. Das lange Gebäude von Ziegelsteinen,
denschke, Lesebuch. 22