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Zeit entehrender Knechtschaft betrachtet worden, deren wir Deutsche nur mit
Betrübnis gedenken könnten. Diese Auffassung ist unrichtig. Die
Zeit war vorüber, wo die Völker des Erdkreises ein Einzeldasein führen
durften. Wir haben es nicht zu bedauern, daß die Römer siegreich in die
deutschen Wälder eingedrungen sind, denn sie zogen dadurch Germanien in
den Bannkreis der hohen Kultur, die sich im Laufe vieler Jahrhunderte an
den sonnigen Gestaden des Mittelmeeres entfaltet hatte.
Die vom Rhein bis zur Donau sich erstreckende Grenze des römischen
Reiches stellte dem unruhigen, ziellosen Wandern der germanischen Stämme
einen festen Damm entgegen und zwang sie zu einer seßhaften Lebensweise.
Am Limes, dem römischen Grenzwall, vollzog sich in zwei Jahrhunderten
nieist friedlichen Verkehrs die Verschmelzung germanischen und römischen
Wesens. Die Kulturbringer waren dabei die Römer. Sie haben Ströme
eingedämmt und überbrückt, die nie zuvor ein Brückenjoch getragen hatten.
Sie haben Straßen mit fester steinerner Grundlage gebaut, auf denen sich
noch im ganzen Mittelalter der Handelsverkehr bewegte, und ans denen, wie
z. B. der Elisabethenstraße (Mainz-Hofheim-Friedberg-Gießen), christliche
Pilger ihren Zielen zustrebten. Die Römer haben den Feldban gehoben
und die Obstzucht veredelt. Sie haben einem Volke, das nur Erdhöhlen
oder Holzhütten als Wohnungen benutzte, gezeigt, wie man steinerne
Häuser baut und sie durch Fensterscheiben und Luftheizung behaglich ein¬
richtet. Jedes heimische Handwerk, z. B. Töpferei, Tischlerei und Schmiede¬
kunst, wurden durch römischen Einfluß auf eine höhere Stufe der Entwickelung
gebracht. Die römische Schnellwage mit einer Wagschale und mit ver¬
schiebbarem Gewicht hat sich durchs Mittelalter bis in die Neuzeit erhalten
und dem Handelsverkehr wertvolle Dienste geliefert.
Viele Dörfer und Städte in der Nähe des Limes verdanken den
Kastellen oder den bürgerlichen Niederlassungen der Römerzeit ihren Ursprung,
wie Heddernheim, Friedberg, Hofheim, und die Keime staatlicher Ordnung,
die in jenen Gemeinden von den Römern ausgestreut wurden, haben Wurzel
geschlagen. Die Kunst, durch die Buchstabenschrift den flüchtig ver¬
hallenden Worten der Sprache Beständigkeit und Dauer zu verleihen, haben
die Römer den Germanen gebracht, und durch viele Hundert militärischer
Lehrmeister sind nicht wenige unserer Vorfahren angeleitet worden, die
schwierigen Schriftzeichen mit ihren ungelenken Fingern nachzumalen. Das
Wort scribere (schreiben) ging als Lehnwort in die deutsche Sprache über.
203. Eine Kaiser-Geburtstagsfeier auf äer Saalburg.
Von GrnTt Schnljc.
Die römischen Grenzanlagen in Deutschland. Gütersloh 1903. 8. 94.
^Ner Vorabend des großen Festtages, der die Garnisonen aller römischen
Xj Grenzfestungen von England bis nach Ägypten und namentlich auch
die Kastelle zwischen Donau und Rhein zur Feier der Geburt ihres Kaisers