Full text: Deutsches Lesebuch für die weibliche Jugend

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nehmen wollte. Nun wurde er zu Herrn Siegert aus Liegnitz ge— 
braͤcht; aber der lange, hagere Mann und sein feuerfarbener, bis 
zur Ferse hinabreichender Oberrock setzten den Knaben so sehr in 
Furcht, daß er kein Wort hervorzubringen vermochte. „Er sei zu 
hlöde zum Buchhandel,“ hieß es. Endlich zeigte sich Adam Friedrich 
Böhme, welcher in Leipzig selbst eine Handlung hatte und die Ru— 
dolstädter Bibliothek mit Büchern versorgte, geneigt, ihn zu neh— 
men. „Aber der Junge muß noch ein Jahr wieder nach Haus, jetzt 
ist er für die Arbeit noch zu klein und zu schwach.“ 
Als das Jahr verflossen war, wurde zwischen dem Oheim und 
dem künftigen Lehrherrn ein feierlicher Vertrag geschlossen, der fol⸗ 
gendermaßen lautete: 
Im Namen Gottes! 
Zu wissen sei hiermit denen es vonnöten, daß zwischen Herrn 
Heubel an einem und Herrn Adam Friedrich Böhme, Bürger und 
Buchhändler in Leipzig, an anderem Teil nachstehender Kontrakt 
verabredet und geschlossen worden. 
Es hat genannter Herr Heubel seinen Neffen Christoph Fried— 
rich Perthes, welcher Lust hat, die Buchhandlung zu erlernen, ein— 
gangs erwähntem Herrn Böhme zu einem Lehrburschen übergeben, 
und zwar dergestalt, daß Herr Böhme diesem jungen Menschen die 
Buchhandlung ohne Entrichtung einigen Lehrgeldes in sechs Jah— 
ren, welche Zeit von Michaelis 1787 angefangen und Michaelis 
1793 ihrẽ Endschaft erreichen soll, zu lehren versprochen und ihn 
nicht allein in solcher Handlung möglichst zu unterrichten, sondern 
auch zu aller Gottesfurcht und wohlanständigen Tugenden anhal⸗ 
ten und vermahnen, nicht weniger mit Essen und Trinken gewöhn— 
lichermaßen versehen, auch ihm nach ausgestandenen Lehrjahren er— 
forderlichenfalls einen Lehrbrief erteilen und daferno er sein Glück 
weiter suchen will, mit Rekommandation an die Hand gehen und 
überhaupt sich, wie einem christlichen Lehrherrn geziemt, verhal— 
ten will. 
Dagegen verspricht Herr Heubel, seinem Neffen ein Federbett 
nebst dazugehörigen Überzügen mitzugeben und solches nach Verlauf 
von sechs Jahren Herrn Böhme als Eigentum zurückzulassen. Da— 
ferno aber Herr Böhme nach Gottes Willen vor Beendigung der 
sechs Jahre versterben sollte, bedingt sich mehrbedachter Herr Heu⸗ 
bel ausdrücklich aus, seinen Neffen nach Beschaffenheit der Umstände 
einem anderen Lehrherrn zu übergeben, um die rückständigen Lehr— 
jahre vollends erlernen zu lassen, auch das mitgegebene Federbett 
wiederum zurückzufordern ihm freistehen soll. 
Ferner will erwähnter Herr Heubel seinen Neffen die ganze 
Lehrzeit mit notdürftiger Wäsche und Kleidung versehen, daneben
	        
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