Full text: Deutsches Lesebuch für die weibliche Jugend

1441 
gelöst und das Amt und die Würde eines Kaisers als erloschen be— 
krachten; daß Wir Uns dadurch als aller Verbindlichkeiten gegen 
das Deutsche Reich erledigt ansehen; daß Wir, wie Wir es durch 
Gegenwärtiges wirklich tun, die Kaiserkrone, welche Wir bis hierher 
getragen haben, niederlegen und auf die Regierung, mit der Wir 
im Namen des Reiches beauftragt waren, verzichten. 
Wir entbinden zu gleicher Zeit die Kurfürsten, Fürsten und 
Stände des Reiches und alle diejenigen, welche dazu gehören, be— 
sonders die Glieder der höchsten Reichsgerichte und die übrigen Die⸗ 
ner des Reiches der Pflichten, welche die Verfassung ihnen gegen 
Uns, als oberstes Reichsoberhaupt, auferlegt. Wir entbinden eben— 
falls alle Unsere deutschen Provinzen und Länder Unseres Reiches 
der Verpflichtungen, die sie bisher gegen das Deutsche Reich zu er— 
füllen hatten, unter welchem Titel es auch immer sein mag; und 
bei der Vereinigung derselben mit der österreichischen Monarchie 
werden Wir Uns als Kaiser von Osterreich bei dem Frieden, der 
zwischen Uns und den übrigen Mächten der benachbarten Staaten 
besteht, bemühen, sie auf jene Stufe von Glück und Wohlfahrt zu 
heben, die beständig der Gegenstand Unserer Wünsche und der Zweck 
Ünserer Sorge und Anstrengung sein wird.“ 
Albert Richter, Quellenbuch. 
174. Stein in Petersburg. 
Gegen Ende August des Jahres 1812 stand ich vor dem be— 
rühmten Minister Freiherrn von Stein. 
Er empfing mich freundlich mit den Worten: „Gut, daß Sie 
da sind. Wir müssen hoffen, daß wir hier Arbeit bekommen.“ In 
bester, getreuester Meinung hatte er mich zu sich gewünscht und ge— 
rufen, und ich, wie ich vor ihm stand, schien einem Bilde solches 
Wohlwollens zu entsprechen. Er empfing mich wirklich mit solcher 
fröhlichen Zärtlichkeit, als hätten wir uns schon Jahre gekannt, und 
ich, mil welcher hohen Verehrung ich auch vor den berühmten Mann 
getreten war, deuchte mir fast wie vor einem alten Bekannten vor 
ihm zu stehen. Ich mußte sogleich mit ihm zu Mittag essen, dann 
beschied er mich auf den morgenden Vormittag. Ich war im Hotel 
Demut abgestiegen, wo er wohnte. Wenige Wochen darauf bezog 
er ein stolzeres, ministerlicheres Palais. 
Stein wies mir nun ungefähr die Stellung an, welche ich mit 
und unter ihm haben sollte. Das Unter aber hat er niemals gegen 
mich gebraucht. Über seine Stellung zu dem hohen Zaren sprach 
er nimmer ein Wort, sondern schloß dann kurz mit den Worten ab: 
„Sie wissen ja, warum und wozu ich hier bin, so gut Sie es wis— 
sen, warum Sie so weit nach Osten ziehen gewollt haben. Unsere
	        
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