Object: Lesebuch für die reifere weibliche Jugend

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segensvollen Reichtum zu halten, und die modernen Frauen 
huldigen nicht selten der Ansicht, das notwendige bißchen Wäsche 
könne jederzeit leicht angekauft werden, und es sei ganz ver¬ 
kehrt. Vorräte als totes Kapital im Schrank aufzuspeichern. Sie 
irren sich! Der anfänglich kleine Hausstand wächst, und damit 
erweitern sich neben den verschiedensten andern nötigen Anschaf¬ 
fungen auch die Ansprüche an den Wäschevorrat: die Entwick¬ 
lung der Kinder fordert von Jahr zu Jahr Neukaufen: ein 
Gedeck nach dem andern wird fadenscheinig, das Bettzeug zeigt 
die Spuren der öftern Wäsche, und ein Handtuch nach dem an¬ 
dern geht den Weg alles Irdischen. 
Wohl empfängt die Braut am Hochzeitsmorgen Geschenke 
von allen Seiten: zierliche, unnütze Dinge, Tand mit» Putz. 
Wer aber denkt daran, wer würde es wagen, sie mit schätzbaren 
Wäscheartikeln zu überraschen? Und doch sind diese das Not¬ 
wendigste, das in jeder Hauswirtschaft Unentbehrlichste, und doch 
fehlt es daran so häufig an allen Ecken nnb Enden! 
Wahrlich, in unsern Zeiten, wo die Sorge für die eigene 
Zukunft und die der Kinder mahnt, jeden Groschen, der entbehrt 
werden kann, zurückzulegen und an Zeit und Kraft der Haus¬ 
frau und Mutter ausnahmslos hohe Ansprüche gestellt werden, 
da erweist ein gut gefüllter Wäscheschrank sich als feste Grund¬ 
lage. auf die man mit Ruhe blickt, von der man dankbar zehrt. 
Und kein Mädchen sollte es versäumen, solche Grundlage sich zu 
schaffen. Lieber einige Kleider einige Möbelstücke, einige Küchen¬ 
geräte weniger, dagegen einige Dutzend Handtücher mehr: 
das und lieber weniger Gutes als viel Halbgutes: dies beides 
sei die Losung jeder Braut und jeder Brautmutter! 
Aufbewahren. Den Truhen unsrer Altvordern, die den 
Reichtum der Hausfrauen bergen, ist der Schrank, der Laden, das 
Spind gefolgt. Wieviel häuslichen Sinn, wie viele weibliche 
Tugenden und — wieviel Poesie verkörpert sich im Wäsche¬ 
schrank! Wer fühlt nicht den Wert der emsig in bescheidner 
Stille schaffenden Hausfrau beim Anblick eines wohlgeordneten 
Wäsch.vorrats. wer empfände nicht den Hauch der Poesie, dem 
unser Schiller die schönen Worte weiht: 
..Und füllet mit Schätzen die duftenden Laden 
und dreht um die schnurrende Spindel den Faden 
und sammelt im reinlich geglätteten Schrein 
die schimmernde Wolle, den schneeichten Lein." 
Ja, „dustend" sei der Laden, in dem dis Hausfrau die 
Wäsche bewahrt: deshalb lege sie Sträuße von Lavendel in die 
Börte, oder fülle getrocknete Rosenblätter in feine Mullbeutel¬ 
chen. die zwischen die Wäsche gelegt werden, oder fertige zierliche 
Säckchen, die an farbigen Bändern bündelweise innen an die 
Schrankwände gehängt werden und mit getrockneten Veilchen 
oder mit Waldmeister gefüllt sein können. Einheitlichkeit des
	        
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