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Ieh gestehe, die Versuchung war stark. Der Buchbalter schaut
mich an, chelt und nickt, und dann kritzelt er wieder etwas aufs Papier
Ich Kann darauf schwören, daß ieh's zuerst gedacht habe, bevor
ér Vas gesagt hat. Nir war's, als sübe ich drüben im Bräuhaus
am runden Tische in dem Erker, und vor mir sitzt der Buchbalter,
und wir stoben fröhlich miteinander an. Und wie ieh das so denke,
sagt der Buchhalter: Wollen wir hinüber ins Bräuhaus? Es wird
eben friseh angestochen?
Es mub sein, daß es Minuten giebt, vo einer dem andern ins
tiefste Herz hineinschaut. Und ieb sag: Da haben wir einen Ge—
danken gehabt; aber ieh trinke jetzt nicht, und mir wird plötzlieb
angst und bang, mir ist, als väre ieh mitten im Walde von Räubern
angefallen, und doch red ich vom Wetter und allerlei.
Der Buchhalter macht das Bueb zu, drebt den Schlüssel am
Kasten ab, zieht einen Rock an, greift naeh seinem Hute und steckt
meinen Schuldsehein in die Tasche.
Ich bekomme eine Höllenangst vor dem Buchhalter, und plötzlieh
reib ieh mieh los und fasse die Thür und renne und stolpere, dab
jeh fast zu Boden falle, zum Hause hinaus; aber ieb wende mich um,
und jetzt renne ieh dem Buchhalter gerade auf die Brust; ieb wende
mieh wieder ab und springe die Dreppe hinauf, und „1187 Gulden
30 RKreuzer bin ich schuldig!“ schreie iebh der Witwe zu, die an der
Preppe steht.
Ieh habe der Witwe bei Heller und Pfennig meine Schuld bezablt.
Das tröstet mich jetzt, und das nebme ich mit ins Grab.
Kuerbach.
20. (7) Der Dorfkirchhof.
Friedlich Dorf! Nach alter Sitte
Hast du noch dein Kirchlein stehn
In des stillen Hofes Mitte,
Wo zur Ruh die Toten geh'n.
Sonntags wallet die Gemeine
Beim Geläute da heraus;
Zwischen Kreuz und Leichensteine
Zieht die Schar ins Gotteshaus.
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Wenn beim hellen Festgeläute
Naht die muntre Höochzeitsschar,
Wandeln die geschmückten Bräute
Zwischen Grüften zum Altar.
Vor der Jungfrau mit der Krone
Bebt am Kreuz der Flitterkranz,
Mahnt zum Ernst mit leisem Tone
Mitten durch Musik und Tanz.
Wird sie nicht, um Gräber lenkend,
Schon zu tieferm Ernst gestimmt,
Daß die Seel', ihr End' bedenkend,
Besser Gottes Wort vernimmt?
Aer wankt in tiefen Schmerzen
Eine Schar zum Grabesrand,
Dann für die gebrochnen Herzen
Ist der Trost auch nah zur Hand
Gleichwie sanfter ja die Kinder
Weinen in der Mutter Schoß,
So vor Gottes Haus gelinder
Ringen sich die Thränen los
Will sein Kind zur Taufe tragen
Hier ein Vater wohlgemut,
Sieht er erst die Hügel ragen,
Wo so manches Kindlein ruht.
Flüstert nicht ein Hauch des Windes 10
Aus der kleinen Gruft heraus:
„Pflege doch des zarten Kindes
Zieh es früh zum Himmel auf!“
Dörflein, deine Kirch' umkränzet
Grün des Kirchhofs ernst Geheg',
Und der Totenacker grenzet
Hart an deinen Lebensweg.
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Wenn in deine Fest' und Freuden
Oft ein Sterbgedanke bricht,
So verklärt sich auch dein Leiden
In des ew'gen Glaubens Licht.
6ber