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Abfluß haben. Leipzig ist ein wie zum Binnenhandel geschaffener Platz
und behauptet denselben mit immer größerer Bedeutung für Sachsen und
Deutschland. Dafür zeugt auch, daß es der Knotenpunkt vieler Eisen—
bahnen in dem immer engmaschiger werdenden Eisenbahnnetze geworden ist.
Als im 15. Jahrhundert (1409) die deutschen Studenten Prags bei
dem einsichtigen sächsischen Fürsten Friedrich dem Streitbaren und seinem
Bruder Wilhelm ein neues Heim suchten, wußten diese ihnen keinen
bessern Platz in ihrem Lande zu geben, als Leipzig. Es wurde eine
Pflegstätte deutscher Wissenschaft, deren Glanz lange Zeit alle anderen
Hochschulen überstrahlte. Daß gar bald die Erzeugnisse der Buchdrucker—
kunst hier ihren Ursprung hatten, hängt eng damit zusammen, und so
kommt es, daß Leipzig Hauptsitz des Buchhandels und aller damit ver—
bundenen Geschäftszweige geworden ist. Leipzig ist ferner der Sitz des
deutschen Reichsgerichts geworden und darum nächst Berlin in der Ver—
waltung des neuerstandenen deutschen Reichs eine der wichtigsten Städte
des Reichs Auch dies darf nicht minder als ein Erfolg seiner berühmten
Hochschule, besonders in Bezug auf Pflege der Rechtswissenschaft, angesehen
werden.
Wenn Leipzig in den weiten Ebenen seiner nicht unfruchtbaren
Umgebung, die längs der Flüsse reich an herrlichen Laubwäldern ist,
so manche Kämpfe, von der Hunnenschlacht bei Merseburg (933) an, die
in seiner Nähe geschlagen wurde, bis zur wild tobenden Völkerschlacht
(16. bis 19. Oktbr. 1813), wo Napoleons Macht über Europa vollständig
gebrochen wurde, ausfechten sah, die, wie der Hussiten, der schmalkaldische,
der 30jährige, der nordische, der 7jährige Krieg, allerlei Ungemach und
Gefahr für die Bewohner der Stadt brachten, so hat doch allezeit Leipzig
nach solchen trüben Tagen erneuten Aufschwung genommen und seine
Kräfte zur Heilung der geschlagenen Wunden tüchtig gerührt.
Das haben Sachsens Fürsten auch wohl anerkannt, und von Otto
dem Reichen an, unter dessen Regierung des Erzgebirges Silberschätze
zuerst blinkten, bis auf den ruhmgekrönten König Albert ist eine Fülle
landesherrlicher Gunst der Stadt gespendet worden, daß sie nächst Dresden
als die herrlichste Perle des Sachsenlandes gelten muß. Als im Jahre
1770 die Festungswerke weggeräumt wurden, nahm die im Innern etwas
enggebaute, mit vielen interessanten Gebäuden versehene Stadt in ihren
Vorstädten solche Erweiterungsanlagen vor, daß sie heute mit den ehe—
mals weit abliegenden nächsten Ortschaften, die städtisches Ansehen an—
genommen haben, zu einem Ganzen verbunden ist. Die Einwohnerzahl,
im Jahre 1800 nur 30000 Seelen betragend, ist heute nahezu auf das
Fünfzehnfache gestiegen. Straßen und zahlreiche Plätze, darunter der
Augustusplatz, der an Größe und Einfassung prachtvoller Bauwerke seines
gleichen sucht, weisen stark pulsierendes Leben und Treiben auf, das
namentlich zur Zeit der Messen, zu Ostern, zu Michaelis und zum Neujahr
in fast fieberhafter Bewegung zu sein scheint, und doch sind in seinen
Häusern Tausende von Räumen, wo in stiller Zurückgezogenheit der Mann
der Wissenschaft, sei er Lehrer oder Student, der Künstler, der Kaufmann,
ihre dem Fortschritte der Zeit gewidmete Arbeit oft unter vielen Ent—
behrungen und Sorgen vollbringen. Wer wollte all die großen Männer
aufzählen, die hier gewirkt haben, die hier unverwelklichen Ruhm sich er—