Full text: Lesebuch für gewerbliche Fortbildungsschulen

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Rettungswesen zur See. 
Und die 200000 Mark, welche die Gesellschaft in Ausübung ihres 
schönen Werkes alljährlich ausgiebt, sind ein wohlangelegtes Kapital, 
dessen Zinsen die Dankesworte und Freudenthränen jener armen Ver— 
unglückten sind, die ihren sicheren Tod in den Wellen vor Augen sahen. 
Beinahe die Hälfte aller Stationen gelten als Doppelstationen, da 
sie über Rettungsboot und Raketenapparat verfügen. Von den übrigen 
besteht der größere Teil aus Boots-, der kleinere aus Raketenstationen. 
Eine Rettungsstation ist ein mit der nötigen Ausrüstung versehenes 
Wachthaus, das bei stürmischen Wetter mit einem Befehlshabenden 
und zehn bis fünfzehn Mann besett ist. 
2. Der wichtigste Bestandteil der Rettungsvorrichtungen ist das 
Rettungsboot, das so gebaut ist, daß es nicht leicht umschlägt und sich 
von selbst wieder entleert, wenn die Sturzwasser es gefüllt haben. 
Zu der Ausrüstung einer Rettungsstation dienen außerdem Mörser 
und Raketenapparate, lange Leinen und Taue, Leuchtraketen, La— 
ternen u. s. w. Ist nun einer Rettungsstation ein Schiffbruch ge— 
meldet, dann verfügt sich die Mannschaft nach dem bezeichneten Küsten— 
punkte. Durch Weißfeuer oder eine Signalrakete giebt sie bei Nacht 
ihre Anwesenheit kund, während auch das Schiff seinen Ort durch 
ein Feuermal anzeigt. Ist das aber demselben nicht möglich, dann 
sucht die Rettungsmannschaft durch eine Leuchtrakete die Lage des 
Schiffes zu finden. Hat nun das Boot keine Aussicht, an das Wrack zu ge⸗ 
langen, so bemüht man sich, zwischen demselben und dem Lande eine Tau⸗ 
verbindung herzustellen. Mittels der Raketenapparate wird bis auf 
400 m Entfernung durch eine Art Geschütz eine am Stabe der Rakete 
befestigte Leine über die Takelage des gescheiterten Schiffes geworfen. 
An ihr wird ein starkes Seil von den Gestrandeten eingeholt, das 
am Mastkorb oder am Stumpf eines Mastes haltbar verknotet und 
drüben am Lande fest verankert wird. Dasselbe läßt den Rettungs— 
korb auf einer Rolle hin- und herwandern. In dieser Weise wurde 
Ende Otltober 1884 die gesamte Bemannung unserer Brigg „Undine“, 
150 Leute, an der jütischen Küste gerettet. Ereignet sich der Schiffbruch 
in größerer Entfernung vom Lande, so daß das Geschütz nicht aus— 
reicht, um ein Tau nach der Stelle des Wracks zu schießen, dann treten 
die Rettungsboote in Thätigkeit. 
3. Seit ihrem Bestehen hat die „Deutsche Gesellschaft zur Ret— 
tung Schiffbrüchiger“ nahezu 3000 Menschen das Leben gerettet, 
und so ist sie in der That einer der segensreichsten Vereine, dem ein 
jeder wünschen muß, daß er sein schönes Werk thätiger, selbstauf— 
opfernder Menschenliebe bei sich fernerhin mehrender Mitgliederzahl 
und wachsenden Einnahmequellen noch lange fortführt. 
Hentschel und Märkel, Umschau in Heimat und Fremde.
	        
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