Full text: Lesebuch für gewerbliche Fortbildungsschulen

Die Städte im Dreißigjährigen Kriege. 
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nach Magdeburg. Alsbald fanden die Geladenen sich zahlreich ein, 
die Goslarer mit verdeckten Rossen, die Braunschweiger in Grün, 
andere in besonderer Rüstung und Kleidung. Mit Speeren wurden 
die Gäste von Gewappneten empfangen, indem sie nicht ohne Strauß 
einziehen wollten. Inzwischen erhoben sich auf einer Elbinsel dem Dom 
gegenüber Zeltreihen, und auf Schilderbäumen wurden die Wappenschil— 
der aufgehängt. Folgenden Tages, nach Messe und nach Mittagsmahl, 
zog man hinaus und erlaubte jedem Fremden, den Schild dessen zu 
berühren, mit dem er kämpfen wollte. Ein alter Kaufmann aus Goslar 
erhielt den Kampfpreis. 
6. Bei all dem heiteren und fröhlichen Leben war aber jene Zeit 
nicht frei von Roheit und Elend. Die Judenverfolgungen, die 
Räubereien, die blutigen Hinrichtungen, die oft wiederkehrende, grauen— 
volle Hungersnot, die Verheerungen der Seuchen und manches andere 
erwecken ein tiefes Grauen vor jener Zeit. 
Barthold, Geschichte der deutschen Städte und des deutschen Bürgertums. Teil UI (gekürzt). 
— — — — — 
2. Die Städte im Dreißigjährigen Kriege. 
1. Mit ihren steinernen, in spitzen Giebeln zulaufenden und mit 
Ziegeln gedeckten Häusern, mit ihren weiten Marktplätzen, ihren ge— 
pflasterten, reinlichen und mit Wasserleitungen versehenen Straßen 
bildeten die Städte den Stolz des Landes. Von ihren Mauern und 
Zinnen, Türmen und Thoren und tiefen Gräben umringt, wiegten sie 
sich im Gefühl der Sicherheit und glaubten sich im Falle eines Krieges 
gerüstet genug, um den Feinden Trotz bieten zu können. Sie besaßen 
auch wohlgefüllte Zeughäuser, und die Wälle waren von schweren 
Geschützen besetzt, welche die Bürger selbst bedienten, aber der Krieg 
fand die meisten doch seinen Schrecknissen nicht gewachsen; ihre Mauern, 
Wälle und Türme, in mittelalterlichen Zeiten errichtet, vermochten 
den verbesserten Kriegswaffen keinen dauernden Widerstand entgegen— 
zusetzen. Nur selten mit starken neuen Befestigungen umgürtet, sahen 
sie sich jedem Wechsel des Krieges preisgegeben, der sich wie eine 
Schlange bald in einem Landesteil zusammenballte, bald sich gift— 
aushauchend durch die entlegensten Winkel hinzog. Nahte sich der 
Feind, so wurden die Thore geschlossen: mit einem Schlage von allem 
Verkehr mit der Umgegend abgeschnitten, waren die Bewohner allein 
auf die vorhandenen Vorräte angewiesen. Befand er sich auch nur 
auf dem Durchzuge und galt die Stadt nicht als ein wesentlicher Punkt 
seiner kriegerischen Zwecke, so harrte doch alles mit Schreden seiner 
Ankunft; selbst neutrale Orte hatten von Wunder zu sagen, wenn sie
	        
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