Das Sparkassenbuch.
69
Pfennig monatlich, und jenes im Jahr zehn Silbergroschen und sechs
Pfennig, und dieses sieben Silbergroschen sechs Pfennig. Ja, das stand
alles da, aber ich hatte nicht zu gleicher Zeit und gar nie am ersten eines
Monats eingelegt, und mit den Tagen, Wochen und den Bruchteilen
konnte ich nicht auskommen. Mein Pfälzer dagegen war ein fertiger
Rechner und Schreiber, er sagte mir auf Heller und Pfennig hin, was ich
zu fordern hätte, und sang mir meinen ganzen Reichtum in der Weise
des Jägers von Kurpfalz vor, warf mein Büchlein an die Decke und rief:
„Da fliegt der ganze Reichtum Peter Werners, des großen Kapitalisten!“
Das Büůchlein fiel aufs Angesicht, und mir war's, als wär' es ge—
kränkt. Ich hätte es gern um Verzeihung gebeten, als ich es abwischte;
ich versteckte es in meine Truhe und zeigte es fortan dem Vebengesellen
nicht mehr.
3. Da brach gegen Weihnachten in der Stadt ein großer Brand
aus, und ehe man Hülfe bringen konnte, schlugen die Flammen aus dem
hause, worin die Sparkasse war. Mir zitterte das Herz im Leibe, als
ich das sah, und ich weinte, als ich hörte, daß das Hauptbuch verbrannt
sei: mein ganzes Besitztum war jetzt auf einmal dahin. Mein Veben—
geselle aber lachte mich aus und sagte: „Du Varr, was weinst du?
Der Staat hat ja die Sparkasse garantiert, und du hast ja deinen
Schuldschein. Der Staat muß dich bezahlen.“
Ich war beruhigter; denn leider ist es ja so und noch jetzt unter
gar vielen Menschen, daß sie meinen, was der Staat leisten muß, das
kommt aus einem unsichtbaren Beutel, der vom Himmel herabhängt, aus
dem man nur zu nehmen, und in den man nie hinein zu thun hat.
Jetzt zeigte ich meinem Pfälzer wieder mein Büchlein, gab's ihm jedoch
nicht in die Hand, und er fand alles in Ordnung.
Als wir aber nachts im Bett schliefen, weckte er mich und rief:
„Peter, wir werden beide reiche Leute, und wir können es auch dahin
bringen, daß unser Geld für uns arbeitet, und wir thun gar nichts mehr
als spazieren fahren.“
Ich meinte, er träume noch, aber er erklärte mir, daß wir beide nach
Kalifornien auswandern sollten, wo man das Gold aus dem Boden gräbt.
Das war mir schon recht, aber ich wußte nicht, woher das Reisegeld
nehmen. Da sagte er, daß mein Sparkassengeld dazu ausreiche. „Du
hast es ja einen Bettel geschimpft?“ fragte ich. „Das ist's nicht mehr“,
erwiderte er, Licht anzündend. „Mir ist im Schlaf eingefallen, wie das
zu machen. Komm, steh auf, gieb mir einmal dein Büchlein her.“
4. Mir war selber, als wenn die geschriebene Zahl sich durch ein
Wunder in Hunderte und Causende verwandelt haben könnte; ich sprang
aus dem Bette, schloß meine Truhe auf und holte mein Büchlein.
„Richtig!“ rief der Pfälzer. „Gut ist's! Prächtig! Das wird kein
Mensch anders sehen. Hier steht: eute fünf Thaler erhalten. Das
Wort ‚heute‘ wird sonst nie geschrieben. Wirst sehen, wie ich hexen
kann. Aus dem Wort ‚heute‘ mache ich hundert‘ Dann haben wir
genug, und wir können mit Goldklumpen Fangball spielen.“