Full text: Lesebuch für gewerbliche Fortbildungsschulen

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Das Sparkassenbuch. 
Ich zitterte am ganzen Leib und rief: „Das thue ich nicht! Das 
kannst du nicht! Das darf man nicht! Das kann man nicht!“ „Gieb 
her, ich will dir's zeigen“, sagte er. Voch widerstrebte ich, aber der 
böse Geist regte sich als Neugier in mir, und ich sagte: „Wie willst du 
das machen? Probier' zuerst auf einem andern Papier, du verdirbst 
mir sonst mein Büchlein, und ich komme in Ungelegenheit und verliere 
noch das, was mir gehört.“ Die Feigheit des bösen Willens gab mir 
ein, das zu sagen; ich hoffte, daß er es nicht machen könnte, um dadurch 
von meinem bösen Gelüste erlöst zu werden, und wünschte doch wieder, 
daß er es könne. Man ist in solcher Cage wie besessen, wie vom Wirbel— 
wind erfaßt. „Gieb her!“ schrie der Pfälzer, „und mach' mich nicht 
zornig, sonst zittert meine Hand, und ich verderbe es unnstig. Jeh 
konnte nicht mehr widerstreben. Ich preßte die gefalteten Hände zu— 
sammen und stand zitternd dabei, wie er mit fester Hand in mein heiliges 
Büchlein hineinkorrigierte, und als er, mit dem Munde die Tinte trocken 
hauchend, das Büchlein an sein Gesicht hielt, war's mir, als ob er meine 
Seele verschlinge. Ich wollte sehen, was er gemacht, aber er zeigte 
mir's noch nicht, und als er jetzt mit einem kleinen Messer radierte, 
spürte ich's, als ob man an meiner Seele schabte; aber jetzt schlug mir's 
wie eine Flamme aus dem Gesicht, und eine Stimme sagte: „Du bist 
reich und wirst noch tausendmal reicher.“ 
Ich las, da stand's: „Hundert fünf Thaler erhalten“, und kein 
Mensch, der nichts davon wußte, konnte merken, daß hier etwas geändert 
war, und das Hauptbuch war ja verbrannt. Der Pfälzer zog mich 
jubelnd im Tanz auf der Bodenkammer umher und rief immer: „Jetzt 
geht der lustige Tanz an und wird lebenslang aufgespielt, und wir tanzen 
durch die Welt, lustig bis zum Kehraus.“ 
5. Wir lagen wieder im Dunkel in unserm Bett, und der Pfälzer 
verstand es, eine Welt voll Glanz und lauter Lustbarkeit vor mich hin— 
zuzaubern. Ich war schon auf dem Meer, ich spielte schon Fangball mit 
Goldklumpen, ich fuhr in einer Kutsche mit vier Schimmeln, und auf 
dem hintern Sitz saß ein Bedienter, der reichte mir auf einen Wink 
immer frischgestopfte silberbeschlagene Meerschaumpfeifen mit brennendem 
Zunder obendrauf in den Mund, und ein andrer schenkte mir Champagner 
ein, und meine Frau saß daneben und hatte einen grünen Schleier auf 
dem Qui 
Mein Pfälzer schlief bald ein, er hatte sich stark verausgabt, mir 
allerlei Träume vorzumalen, und auch ich sank endlich in Halbschlaf; da 
durchzuckte es mich plötzlich, und ich wachte auf wie aus einem Rausche. 
Mir war ganz klar, alles was geschehen war, meine Kiste stand ja 
offen, und ein heller Mondstrahl fiel schräg auf die glitzernde Decke 
meines Sparbüchleins und zitterte darauf. Ich sprang aus dem Bett. Nein, 
das darf nicht sein, lieber will ich alles verlieren, ich zerreiße mein 
Kleinod. Aber seltsam! Mich dauerte das Büchlein, das ich so sehr 
geliebt hatte. Ich nahm es mit ins Bett und schlief endlich ein.
	        
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