Vom Ackerbau.
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Mit Nachbar Helmreich ist das ein eigen Ding. Was ein rechter
Landwirt sein will, der muß Hände haben voll Schwielen, die da sagen:
„Wir arbeiten!“ Aber sie müssen sich auch zum Gebet zusammen finden.
Von dem Fortschritt in der Landwirtschaft halt' ich nichts, da man
meint, unser Herrgott könne sich nicht um eines jeden Bauern Raps—
feld bekümmern. Die Natur sorge für sich selber, und das andere —
von Gottes Güte und Allmacht und Weisheit — wär' Schnickschnack
und das Beten nur für Kinder und Weiber.
„Bete, als hülfe dein Arbeiten nichts, und arbeite, als hülfe dein
Beten nichts.“ Das muß eines rechten Bauern Losungswort sein.
Ich hab', solang ich denken kann, meinen Säespruch hergesagt,
wenn ich meinen Samen ausstreute:
„Wir säen und wir streuen
den Samen auf das Land;
doch Wachstum und Gedeihen
steht in des Höchsten Hand!“
Und das muß sein. Denn Sonnenschein und Regen und Wärme
und Kälte, die unsern Fluren Segen spenden, sind unsers Herrgotts
Handlanger. Ohne sie kann auch der tüchtigste Landmann nichts aus—
richten, und wär' er noch so fleißig.
Unser Nachbar Helmreich hält's zwar auch noch mit dieser Sitte.
Aber sein Sprüchlein muß wohl nicht das rechte sein. Oder das Herz
ist nicht dabei, wenn die Lippen reden. Denn als im verflossenen
Jahre seinen Fluren der Segen ausblieb, da machte er den lieben
Herrgott mit seiner schlechten Witterung für den Schaden verantwort—
lich. Und das war nicht recht. Regen und Sonnenschein waren ge—
kommen zu ihrer Zeit, und nicht nurx für unsere Acker allein. Und
da konnten doch die Halme kaum die Ahren tragen mit all dem Körner—
segen darin. —
Arbeiten thut unser Nachbar ja wie kaum ein andrer im Ort.
Müht und plackt er sich doch vom frühen Morgen bis zum späten
Abend. Schau nur, wie gebückt er geht vom vielen Quälen und
Schaffen.
Aber mit seiner Arbeit hat's seinen Haken wie mit seinem Sprüchlein.
So wie unser Nachbar in der Sitte am Alten hängt, so thut er's auch
in seiner Arbeit. Er bewirtschaftet seinen Grund heute noch gerade so,
wie er's vor 60 Jahren von seinem Vater gelernt hat, und der trieb's
noch wie der Großvater. Und das ist gefehlt. Wie's der Vater und
Großvater gemacht haben, das hat vielleicht ausgereicht zu ihrer Zeit.
Unsere Zeit ist aber eine andere und stellt auch andere Anforderungen
an den Landwirt wie an den Handwerker. Wer das nicht glauben
will, der sehe nur auf die großen Fortschritte, welche die Landwirtschaft
im Laufe der letzten Jahrzehnte gemacht hat. Ich will sie in Kürze an—
deuten: die allgemeine Verbreitung des Kartoffelbaues, welchem Millionen
ihren Lebensunterhalt verdanken; die Einführung der Stallfütterung
mit dem Klee-, Luzerne-, Esparsette- und Runkelrübenbau, wodurch
sich der Viehbestand verdoppelt und verdreifacht hat; die Einführung