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Das Revolutions-Zeitalter.
1760.
1767.
daher bald nach dem Kriege mehrere Handels-Artikel mit Eingangszöllen
und erschwerte den Schleichhandel mit dem spanischen West-Indien. Aber das
Selbstgefühl der Colonien war durch den Krieg gewachsen. Die Amerikaner hat¬
ten einsehen gelernt, daß es hauptsächlich ihre Kraft und Anstrengung gewesen,
die England aus dem Kampfe siegreich hervorgehen ließ, und als daher durch die
2'i?ô.7.rî‘ Einführung der Stempeltaxe der Unmuth, der sich schon laut gegen die
Z ö l l e ausgesprochen , noch erhöht wurde, entstand bald eine bedenkliche Aufre¬
gung. Die Amerikaner machten geltend, daß ein Parlament, bei dem sie nicht
vertreten wären, sie nicht besteuern könnte; daß ihre eignen Abgaben bei ihrer
Armuth schon groß genug seien, daß das durch das Parlament repräsentirte eng¬
lische Volk kein Recht hätte, sie (die Amerikaner) wie rechtlose Unlerthanen zu be¬
handeln und mit willkürlichen Steuern zu belasten. Ihre Beschwerden fanden
Anklang bei einem großen Theile der englischen Nation und eine starke Opposi¬
tion, den großen Redner und Staatsmann Will. Pitt (Lord Ehatham) an
der Spitze, bekämpfte im Ober- und Unterhaufe die Maßregeln der Regierung
gegen die Colonien. Theils diese Angriffe, mehr aber noch die gleichzeitigen ener¬
gischen Schritte der Amerikaner, die sich der Stempeltape nicht unterwarfen,
die Einführung zollpflichtiger Fabrikate untersagten und in einer musterhaften
Adresse an König und Parlament die Rechte der Colonien aufs klarstedar¬
legten, führte einen Ministerwechsel und die Zurücknahme der Stempeltape herbei.
Da man aber durch eine Ergänzungs-Bill dem Parlamente das Besteuerungs-
recht der Colonien ausdrücklich wahrte und im nächsten Jahr auf Thee, Glas,
Papier und Malerfarben eine geringe, zur Besoldung der amerikanischen Beam¬
ten bestimmte Abgabe legte, so blieb der Geist des Widerspruchs, und die De¬
monstrationen gegen jede Art von Besteuerung mehrten sich. Die Kausleute von
Boston beschloffen, keinen der zollpflichtigen Artikel einzulaffen und ihr Beispiel
wurde bald von den übrigen Provinzen nachgeahmt, was dem englischen Handel
so empfindlich schadete, daß die öffentliche Stimme in England auch die Zurück¬
nahme dieser Besteuerungsbill durchsetzte, nachdem bereits der offene Widerstand
gegen die Zollbeamten in Boston die Regierung genöthigt hatte, Truppen in diese
Stadt zu legen. Der von Puritanern gegründete Staat Maffachusets schien den
hartnäckigen Sinn seiner Vorfahren am treusten bewahrt zu haben. Die engli¬
sche Regierung beharrte indeffen auf dem Besteuerungsrechte, suchte aber
dasselbe den Amerikanern so leicht als möglich zu machen. Allein so sehr war be¬
reits die Erbitterung gegen das Abgabensystem gestiegen, daß in Boston einige
1 i'773.ec' als Wilde verkleidete junge Leute drei Schiffsladungen Thee ins Meer warfen.
Síes führte mehrere Parlamentsakten herbei, wodurch die Aufregung bald zur
offenen Widersetzlichkeit gesteigert ward. Durch die eine wurde der Hafen von
Boston gesperrt, durch die zweite die freie Verfassung von M a ss ach li¬
se t s bedeutend beschränkt, und durch eine dritte die G r e n z e v o n Canada
nach den Vereinsstaaten zu erweitert und somit die dort herrschende absolute
Verfassung auch über den dazu gezogenen Theil der letztern ausgedehnt.— Wäh¬
rend dieser Vorgänge wurde das englische Volk durch Zeitschriften, Reden und
Parlamentsdebatten in nicht geringerer Aufregung gehalten als das amerikanische,
und da die öffentliche Meinung über die Maßregeln der Regierung und die Ge¬
rechtigkeit des Streits getheilt war, so entstand eine so heftige Parteiung, daß
diese Jahre ganz den Charakter einer leidenschaftlich bewegten Revolutionszeit
tragen. Zur Steigerung dieser Aufregung trugen vor Allem die berühmten Ju¬
ri iu^sb riefe (1769—1772) bei, eine durch die Kraft der Sprache, durch die
Schönheit des Styls und der Darstellung und durch die Macht der Polemik aus-
1770.