Full text: Lesebuch für ländliche Fortbildungsschulen sowie für landwirtschaftliche Winter- und Ackerbauschulen

Ziegenzucht. 
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b. Das große Ansehen, welches die Ziege in früheren Jahrhun— 
derten schon in Deutschland genossen hatte, ist im Laufe der Zeit 
immer mehr verloren gegangen. Insbesondere soll der dreißigjährige 
Krieg unter den Ziegenbeständen arg aufgeräumt haben. Das Tier ge— 
riet nach und nach in immer größeren Mißkredit. Diese Mißachtung 
besteht auch heute noch recht viel. Die Ziege wird als ein minder— 
wertiges Tier angesehen; wer Ziegen hält, gilt als ein kleiner, arm— 
seliger Mann, dem nicht viel zuzutrauen ist. Ja, wer eine Kuh im 
Stalle hat, der steigt gleich im Ansehen, der wird ein gut Teil 
höher eingeschätzt. Üünd wie manchmal möchte es nicht besser sein, 
der Mann hielte statt der armseligen Kuh ein paar Ziegen, sie 
brächten ihm vielleicht mehr ein bei geringerer Wartung und Pflege. 
e. Ziegenhaltung und Ziegenhaltung ist nun allerdings ein 
großer Unterschied. Wir können in der Tat nicht leugnen, daß es 
mit derselben bislang recht schlecht bestellt gewesen ist und auch noch 
ist. Sieht man sich mal die Ställe an, in die die Tiere hineingestopft 
werden, so wird man oft eine wahre Mustersammlung zusammen— 
bringen können, einer besser als der andere, das heißt nach der ver— 
kehrten Richtung hin. Eng, dumpf, schmutzig sind sie, daß man sich 
gar nicht hineinwagt, im Sommer überwärm, im Winter kalt und 
naß. Kann man sich wundern, wenn in solchen Löchern eine von 
Haus aus gute Ziege verkümmert, entartet, zumal wenn ihr noch die 
Bewegung in der freien Luft fast ganz abgeschnitten ist? Und wie 
soll in solchen Ställen das junge Zickchen fröhlich und gedeihlich auf— 
wachsen können? Und nun kommt die Ernährung hinzu, die meist 
auch viel zu wünschen übrig läßt. Ist die schon bei Kühen oft recht 
zweifelhaft, so trifft das beim Kleinvieh noch mehr zu. Wer denkt 
ferner daran, die Ziege zu putzen und sauber zu halten? Und dann 
beklagt man sich noch über den zuweilen ganz durchdringenden Ge— 
ruch, der dem Tier selbst und seinen Produkten anhaftet, und der 
z. B. den Milchgenuß so vielen Leuten verleidet. Und wie steht es 
mit der Züchtung? Der erste beste Bock dient als Vatertier, und auf 
die Auswahl der Muttertiere kommt es noch weniger an. Da kann 
man sich wirklich nicht wundern, wenn von den mangelhaften Eltern— 
tieren keine gesunden, leistungsfähigen Nachkommen zu erwarten 
sind. In der Ziegenhaltung haben sich ganz ähnliche Mängel heraus— 
gestellt, wie sie in der Rinderhaltung waren und zum Teil noch sind. 
In der Rindviehhaltung haben aber auch die kleinen Landwirte die 
Mängel schon erkannt und sich bestrebt ihnen abzuhelfen, so daß 
man auf große Fortschritte blicken kann. Die Notlage in der Ziegen— 
haltung hat man neuerdings erst ans Licht gezogen, hoffentlich bringt 
die Erkenntnis der Fehler auch bald gründliche Abhilfe. Es ist sicher— 
lich eine dankbare Aufgabe, an der Hebung der Ziegenhaltung im In— 
teresse der Volkswohlfahrt zu arbeiten. 
3 a. Die Ziege verdient aber auch eine größere Beachtung, als 
man meinen möchte; denn ihr Nutzen ist ein gar vielseitiger. In 
erster Linie ist sie als Milcherzeugerin zu schäßen. 9510 Monate 
im Jahr liefert sie im Durchschnitt 350 Liter der nahrhaften Flüssig—
	        
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