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hände reckten sich auf zum Gruß und Schwur, die helme wurden
geschwungen, die Blicke leuchteten, und dreimal rollte der Ruf an den
SsSpiegel und Marmorwänden hin und hallte von der gewölbten Decke
nieder.
So vollzog sich der welthistorische Akt, der das Deutsche Reich
wieder ins Leben rief und die Kaiserkrone mit frischem Glanze auf
ein neues herrscherhaus übertrug. Die alte Sage von Barbarossa im
Kyffhäuser war in Erfüllung gegangen.
Statke.
58. Die Erwerbung der deutschen Kolonien.
Seit der Wiederaufrichtung des Deutschen Reiches hat kein Ereignis
der Geschichte innerhalb und außerhalb unseres Vaterlandes solches Auf—
sehen erregt als die Erwerbung deutscher Kolonien. Was die einen
lange wünschten und erstrebten, die anderen zaudernd und vorsichtig
erwogen, und die dritten entschieden bekämpften, das war durch die
Besitzergreifung Angra Pequenas endlich zur Tatsache geworden, und
rasch folgten dem ersten kühnen Schritte die Flaggenhissungen in Togo
und Kamerun, in Deutsch-Ostafrika und in der Südsee und endlich in
China. Es war auch die höchste Zeit, daß Deutschland zugriff; denn
überall waren die Kolonialmächte tätig, die Welt unter sich zu verteilen,
und es gab nicht mehr viele Gebiete, die herrenloses Land zur Besitz—
ergreifung darboten.
fAus unscheinbaren, wenig versprechenden Anfängen ist unser
RKolonialreich hervorgegangen. Im April 1883 kauste der Bremer
Kaufmann Adolf Lüderitz an der Südwestküste Afrikas die Bucht von
Angra Pequena samt ihrer öden, unwirtlichen Umgebung und allen
Hhoheitsansprüchen für 200 Gewehre und 2000 Mark von dem unab⸗
hängigen häuptlinge jenes Gebietes. Von dieser Erwerbung, die später
den Namen Lüderitzland erhielt, hatte er vorher dem Kaiserlichen Aus-
wärtigen Amte zu Berlin Mitteilung gemacht und um Keichsschutz
gebeten. Als das immer bestimmtere Gerücht auftauchte, daß die
Kapkolonie Lüderitzland besetzen wollte, sandte Fürst Bismarck am
24. April 1884 das denkwürdige Telegramm an den deutschen Ronsul
in Kapstadt: „Nach Mitteilung des herrn Lüderitz zweifeln die Kolonial-
behörden (des Kaplandes), ob seine Erwerbungen nördlich des Oranje⸗
stromes auf deutschen Schutz Anspruch haben. Sie wollen amtlich er—
klären, daß er und seine Niederlassungen unter dem Schutze des KRaisers
stehen.“ Diese Depesche darf als Ausgangspunkt und der Tag, an dem
sie abgeschickt wurde, als der Geburtstag der neuen deutschen Rolonial—
politik gelten.
Um den nun einmal betretenen Weg weiter zu verfolgen, forderte
der Reichskanzler die hansastädte auf, über die Lage ihres west—
afrikanischen Handels und die für seine Sicherung und hebung wünschens—
werten Maßnahmen zu berichten. Da von ihnen besonders die Wichtig⸗
keit der Sklavenküste und des Busens von Guinea betont wurde, erhielt
der kaiserliche Generalkonsul in Tunis, Dr. Gustav Nachtigal, der
Voigt, Lesebuch für Handelsschulen. Kleine Ausgabe 11