Full text: Lesebuch für gewerbliche Fortbildungsschulen

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zum Vortrag, dort las er alle eingehenden Berichte, Denkschriften 
und Bittgesuche und versah sie mit jenen berühmten „Marginal- 
Resolutionen", welche in treffender, oft witziger Kürze die Ent¬ 
scheidung des Königs am Rande des Schriftstückes enthielten. Zu 
den bekanntesten dieser Randbemerkungen gehört wohl diejenige, 
in welcher Friedrich schon im ersten Regierungsjahre seine Meinung 
über das Verhältnis der religiösen Bekenntnisse zu einander kund¬ 
gab: „Die Religionen müssen alle Tolleriret werden, und mus der 
Fiscal nuhr das Auge darauf haben, daß keine anderen abrug 
Tuhe, den hier mus ein jeder nach Seiner Fasson Selich werden." 
Wie allen seinen großen Ahnen, gewährte es auch ihm die 
höchste Genugtuung, wenn er wüstes Land in fruchtbaren Boden 
verwandeln, Sümpfe und Seen entwässern und zum Wohnsitze 
fleißiger Ackerbauer machen konnte, die er aus der Fremde herbei¬ 
rief. Dabei fand er kundigen Beistand an dem Finanzrat Vrenken- 
hof, der sich besonders um die Wiederherstellung der von den Russen 
gänzlich verwüsteten Striche in der Neumark und in Hinterpommern 
große Verdienste erwarb. Überall griff der König helfend und tätig 
ein, in Tagen der Hungersnot öffnete er seine Kornspeicher, den 
aufstrebenden ökonomischen Bestrebungen gewährte er Kredit. Als 
die schlesische Stadt Greiffenberg 1783 abgebrannt war, gab er 
zum Wiederaufbau reichliche Geldmittel, wofür 'eine Deputation 
ihm dann den innigsten Dank der Empfänger aussprach; der alte 
König antwortete mit Tränen im Auge: „Ihr braucht euch nicht 
zu bedanken; es ist meine Schuldigkeit, verunglückten Untertanen 
aufzuhelfen: dafür bin ich da." 
Die vornehmste Sorge des Königs war die Erhöhung der 
Staatseinnahmen, denn nur dadurch konnte er, ohne den Nährstand 
allzuschwer zu belasten, die großen Ausgaben für Vermehrung und 
Verbesserung des Heeres gewinnen. Neue Gewerbe wie Porzellan- 
und Seidenmanufaktur wurden eingeführt und bedeutende Mittel 
für die Hebung der Leinen- und Tuchindustrie hergegeben. Die alte 
preußische Steuerpolitik wurde fortgesetzt: ein Grenzzoll mit vielen 
Einfuhrverboten, die Ausdehnung der Lebensmittel-Akzise auf LuXUS- 
waren, endlich das Staatsmonopol auf Tabak und Kaffee sollten 
zur Steigerung der Einnahmen dienen. Doch erregte die Art, in der 
die Regierung diese Abgaben durch französische llnterbeamte ein¬ 
treiben lies, viel Ärgernis im Volke. 
Nicht weniger war Friedrich bemüht, die Lasten des Bauern 
zu erleichtern und den kleinen Mann zu schützen gegen Bedrückung 
der Vornehmen und Ungerechtigkeit der Richter. Und wenn wir 
heute auch wissen, daß in jenem berühmten Prozeß des Müllers 
Arnold der König übereilt zum Verdacht und zur Bestrafung hoher 
richterlicher Beamten sich hat hinreißen lassen, so steht er doch gerade
	        
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