Full text: Deutsches Lesebuch für Handelsschulen

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in seinen Schutz nahm. Tschirnhaus verwendete Böttcher bei seinen 
keramischen Versuchen, und diese Versuche krönte der Erfolg. 
Freilich nicht sofort. Böttcher arbeitete erst ein paar Jahre in 
Dresden und auf der Albrechtsburg in Meißen. Dann kam 1706 der 
Einfall der Schweden unter darl'xi. Böottcher wurde mit seinem 
ganzen Laboratorium auf den Königstein geflüchtet und hier wie ein 
halber Gefangener behalten. Der Kuͤrfürst fürchtete nicht ohne Grund, 
der unruhige Mann möchte ihm, wie zehn Jahre früher dem Kur⸗ 
fürsten von Brandenburg, mit seinen Keuntnissen und Erfahrungen 
auf und davongehen. 
Und damals war er schon wenigstens auf dem Wege zu seiner 
Erfindung. Bei seinen Versuchen, feuerfeste Schmelztiegel zu schaffen, 
hatte er die guten Eigenschaften einer roten Erde kennen gelernt, 
welche bei Meißen gefunden urden Vom Königstein nach Dresden 
zurückgekehrt oder vielmehr zurückgebracht, machte er Gefäße aus dieser 
Hlen Erde nach chinesischem Muster, wie es deren ebenfalls rot und 
braun gab. Diese Gefäße hatten manche der soliden Eigenschaften 
des Porzellans, und daher wurde die Fabrikation fortgesetzt, so daß 
schon im Jahre 1708 eine ziemliche Menge auf die Leipziger Messe 
wanderte, deren Verkauf fast 6000 Mark einbrachte. 
Aber dies rote sogenannte Böttchersche Versuchsporzellan war 
noch nicht das rechte; es fehlte die weiße Farbe, die von dem Zusatze 
von Kaolin abhängt. Auch diese Entdeckung gelang im Jahre 1709. 
Ein Zufall führte Böticher ein Paket weißer Erde in die Hände, die 
in jener Perückenzeit als Puder berwendet wurde. Sie stammte aus 
der Gegend von Aue im Erzgebirge Böttcher untersuchte sie und 
fand, daß es Porzellanerde, Kaͤolin, sei. Damit war die Erfindung 
des weißen Porzellans gemacht, wenn auch noch viele Versuche und 
Bemuhungen nötig waren, bis das Porzellan und seine Färbung in 
ähnlicher Vollkommenheit wie das cinesische und japanesische her— 
geftelll werden konnte. Im Jahre 1710 wuͤrde nun eine Porzellan— 
fabrik in Dresden gegründet, die noch in demselben Jahre nach 
Meißen auf die Albrechtsburg verlegt ward. 1713 gelangte zum ersten 
Male eine größere Menge weißen Porzellans zum Verkauf. 
Die ganze Fabrikation wurde wie ein Geheimnis betrieben, die 
Arbeller bereueten die Masse des Porzellans bei verschlossenen Thüren, 
Böttcher selbst wurde beständig überwacht. Ein unregelmäßiges Leben, 
namentlich seine Trunksucht, hatte seine Gesundheit früh zerrüttet 
Er ftarb im besten Mannesalter 1719, nachdem er vorher veranläßt 
worden war, sein Geheimnis einem früheren Beamten mitzuteilen. 
Die Fabrik in Meißen zählte bei seinem Tode im ganzen 28 Arbeiter, 
war aber nicht in bester Ordnung 1139 nahm Graf Brühl die 
Leitung derselben in seine Hand. Bald wurden auch die rechten Männer 
für die Fabrikation gefunden, nämlich der Maler Herold und der Bild— 
hauer Kendler, und so begann 1740 die Blutezeit der Fabrik, die ihre 
Arbeltan und Künstler bald nach Hunderten zählte. Die Einnahme war 
bald auf 600000 Mark gestiegen. Ihr Ruhm verbreilete sich über die 
Voigt, Lesebuch für Handelsschulen. 2 Aufl. 
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