99
101. Abendlied im Herbst.
1. Sonne hat sich müd' gelaufen, spricht: „Nun laß' ich's sein!"
Geht zu Bett und schließt das Auge und schläft ruhig ein.
2. Bäumchen, das noch eben rauschte, spricht: „Was soll das sein?
Will die Sonne nicht mehr scheinen, schlaf' ich ruhig ein."
3. Bogel. der im Baum gesungen, spricht: „Was soll das sein?
Will das Bäumchen nicht mehr rauschen, schlaf' ich ruhig ein."
4. Häschen spitzt die langen Ohren, spricht: „Was soll das sein?
Hör' ich keinen Vogel singen, schlaf' ich ruhig ein."
5. Jäger höret auf zu blasen, spricht: „Was soll das sein?
Seh' ich keinen Hasen laufen, schlaf' ich ruhig ein."
6. Kommt der Mond und guckt herunter, spricht: „Was soll das sein?
Kein Jäger lauscht?
Kein Häschen springt?
Kein Vogel singt?
Kein Bäumchen rauscht?
Kein Sonnenschein?
Büblein allein
will wach noch sein?
Nein, nein! Nein, nein!
Die Augen zu! Schlaf ein!"
Robert Reinick.
102. Die Pfirsichen.
Ein Landmanu brachte aus der Stadt vier Pfirsichen mit,
die schönsten, die man sehen konnte. Seine Kinder aber sahen
diese Frucht zum ersten Male. Deshalb wunderten und freuten
sie sich sehr über die schönen Äpfel mit den rötlichen Backen
und dem zarten Flaum. Darauf verteilte sie der Vater unter
seine drei Knaben, und eine erhielt die Mutter.
Am Abend, als die Kinder in das Schlafkümmerlein
gingen, fragte der Vater: „Nun. wie haben euch die schönen Äpfel
geschmeckt?"
„Herrlich, lieber Vater", sagte der älteste. „Es ist eine
schöne Frucht, so säuerlich und doch so sanft von Geschmack.
Ich habe mir den Stein sorgsam bewahrt und will mir daraus
eine» Baum erziehen." —
„Brav", sagte der Vater; „das heißt haushälterisch auch
für die Zukunft gesorgt, wie es dem Landmanne geziemt!"
7*