Full text: Neuntes Schuljahr (B)

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„Bin ich nicht gekommen? Ich weiß nicht, was deine Worte 
bedeuten sollen,“ sagte der Sohn zum Vater. „Heinrich, sie sind mir 
auch nur in den Sinn gekommen, und ich habe sie gesprochen. Du 
weißt, daß niemand die Weiche zu stellen hat wie du, und du hast 
die Weiche gestellt und wirst sie immer stellen, wer auch dabei stehen 
mag. Du wirst dich auf niemand, selbst auf deinen Vater nicht ver¬ 
lassen; denn du bist der Weichensteller der Bahn und kein andrer.“ 
„Freilich,“ fährt er fort, als sie am Wärterhause angekommen 
und der Sohn die Signale abgestellt, „freilich, ich hatte früher deinen 
Posten mit zu verwalten;, doch die Bahn hat meinen Bitten Gehör 
gegeben und mir Hilfe geschafft. Früher wurde ich meines Lebens 
nicht froh; ich hatte nicht zu viel, aber doch zu Verschiedenes zu 
tun. Da lebte ich immer in Angst, ich könnte etwas versehen, hier 
und dort nicht zur rechten Zeit sein. Die Qual hat, Gott sei Dank, 
ein Ende; ich kann jetzt wenigstens sagen, ich kenne meine Strecke wie 
meine fünf Finger. Da kommt ja die Ablösung für den Nachtdienst; 
es ging scharf her, gestern und vorgestern; die Erholung wird uns 
gut tun! Wir wollen aber vorher unsre Blumen begießen.“ 
4. Die Glücklichen haben Blumen hinter dem Wärterhäuschen, 
und während Heinrich die Gießkanne holt und füllt, stattet der Bahn¬ 
wärter dem eben eintreffenden Bahnmeister Bericht ab. 
Die Unterredung dauert lange; denn der Bahnwärter hat viel 
auf dem Herzen. Alles, was er sagt, hört zugleich sein Ersatzmann; 
er nickt jedesmal mit dem Kopfe zum Zeichen des Einverständnisses. 
Dann, als alles vorüber ist und die Lichter auf dem Bahnkörper an¬ 
künden, daß die Nachtposten bereits in Tätigkeit sind, eilt der Bahn¬ 
wart ZU seinem Sohne zurück. — Friedrich Bucker. 
16. Verhängnisvolle Wartezeit. 
1. „Punkt 5 Uhr 20 wird der Hof-Sonderzug zur Abreise Seiner 
Majestät des Kaisers bereitstehen,“ sagte der Stationsvorstand von 
Mürzzuschlag auf der weltberühmten Semmeringbahn zum Hoffourier, 
welcher den kaiserlichen Befehl zur Abreise auf heute nachmittag 
überbracht hatte. 
Die Anberaumung der Abfahrt des kaiserlichen Sonderzuges nach 
Wien mußte sorgsam erwogen werden, die Wahl war kein leichtes 
Stück Arbeit; denn heute ist Sonntag, und zwar ein sonnenheller 
Sommertag, also ein Ausflugstag für die luftbedürftigen Wiener, die 
in dichten Scharen gleich Heuschrecken den Semmering überfallen und 
mittels zahlreicher Sonderzüge wieder gegen Abend heimbefördert 
werden wollen. Des weiteren ist just heute ein Gaufeuerwehrfest
	        
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