Full text: Lesebuch für die ländlichen Fortbildungsschulen der Provinz Ostpreußen

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Als aber Polen ein Wahlreich geworden war, da ging es den Deutschen ebenso 
schlecht wie den Polen selbst. 
Der König hatte nun nichts mehr zu sagen, sondern nur der Reichsrat, 
der aus lauter Adligen bestand. Aber auch der Reichsrat — als Gesamtheit 
genommen — hatte keine rechte Macht, denn die einzelnen Adligen brauchten 
sich um seine Beschlüsse gar nicht zu kümmern. Sie hatten das Recht und 
die Macht, jeden Reichsratsbeschluß durch ihren Einspruch oder durch Waffen⸗ 
gewalt aufzuheben, wenn es ihnen so paßte. Sie durften sogar zum Feinde 
übertreten und brauchten sich daraus gar kein Gewissen zu machen. Konnte 
man da noch von einem polnischen Staate sprechen? 
Unter diesen Umständen wurden die polnischen Bauern natürlich schauer— 
lich behandelt. Sie waren nichts mehr als Sachen; wer sie totschlug, wurde 
kaum bestraft. Sie waren Sklaven, Leibeigene. 
Wie stand es nun aber jetzt mit den in Polen eingewanderten deutschen 
Bauern? Schlimm genug. 
Die Rechte der eingewanderten deutschen Bauern wurden allmählich 
alle zerstört. Es wurden die Zinsen erhöht, Fronarbeiten eingeführt usw. 
Zuleht maßten sich die polnischen Adligen das Recht über Leben und Tod 
auch der deutschen Bauern an. Die Grundherren durften sie richten, foltern, 
henken. Die Klagen der Bauern konnten nur durch den beklagten Grund⸗ 
herrn selbst bei einem adligen Gerichtshof angebracht werden. 
So wurden die deutschen Bauern allmählich zu polnischen Leibeigenen 
erniedrigt. Und das Ende? Sie gingen allmählich in den polnischen Bauern 
auf und verlumpten gleich diesen vollständig. Die Volkszahl sank, die blühen— 
den Dörfer verschwanden, und es entstand wieder die frühere Einöde, in der 
Mangel und Sorge herrschten. Die deutschen Bauern, die ihrer Nüchternheit 
wegen berühmt waren, wurden nun träge und stumpf und suchten ihr jammer— 
volles Leben im Branntwein zu vergessen. Seit sie polnisch geworden waren, 
wurden sie berühmt ihrer Trunkenheit wegen. 
Trotzdem drangen immer neue deutsche Scharen nach Polen. Die Wligen 
sicherten allen anfangs großartige Rechte zu, aber sie hielten ihr Versprechen 
nicht; nach kurzer Zeit begann die Unterdrückung von neuem. Die Städter 
hielten sich besser, aber auch sie litten unendlich unter dieser Herrschaft. 
Da ergriff Friedrich der Große Besitz von Westpreußen und Posen und 
rettete wenigstens in diesen Ländern dem deutschen Bauer nicht nur, son— 
dern auch dem polnischen ein Vaterhaus. 
Was ist nun zur Zeit der preußischen Herrschaft aus diesem ehemaligen 
Teile Polens geworden? 
Ostpreußen, das natürlich am meisten seinen deutschen Charalter be— 
wahrt hatte, hatte schon in Friedrichs Vater einen liebevollen Landesvater 
gefunden. Er entlastete die ärmere Bevölkerung, indem er den Adel mehr 
zu den Staatsabgaben heranzog; er entwässerte Sümpfe, legte Dämme 
und Deiche an usw. Der „Alte Fritz“ setzte diese segensreiche Tätigkeit 
fort.
	        
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