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vorausgehen. Die „Nachtluft“ muß fort, aus dem „Schlafstall“ die „Wohn—
stube“ werden, weil tagüber sich auch Menschen im Kuhstall aufhalten. In
größeren Wirtschaften wird den Kühen während des Melkens Futter verab—
reicht. Dies ist falsch und läßt sich in kleineren Wirtschaften und überall,
wo der Leutemangel es nicht gebietet, meiden. Die Kuh sollte vor dem
Melken „frisiert“, also gereinigt, im wahren Sinne des Wortes mit Striegel
und Bürste „geputzt“ werden. Bei ausschließlicher Stallfütterung ist dies
notwendig, bei Weidevieh wünschenswert. Während des Putzens sollte
die erste Futtergabe schon vorgeworfen sein. Rauhfutter staubt, viele Kühe
sind futterneidisch, melkt man sie während des Fressens, so sind sie unruhig,
„halten die Milch an“, „trampeln“, und die Folge ist unsaubere und geringe
Milch.
Das Melktier soll zum Melken hergerichtet sein; dazu gehört gute Rei—
nigung des Euters selbst, Anbinden des Schwanzes; das Waschen des Euters
ist nicht zu empfehlen, trockenes Abreiben des Euters mit Frottiertüchern
genügt. Jetzt denke der Melker an sich selbst, auch er soll sich gewaschen haben
und rein sein. In großen Viehhaltungen sollten die Melker nur in waschbaren
Anzügen arbeiten, Kniehose, kurze Ärmel; der „echte“ Schweizer läuft
gewöhnlich halbnackt im Stall umher, ohne deshalb sauberer zu sein als
ein mehr bekleideter unechter „Schweizer“. Die holde Weiblichkeit ist für das
Melkgeschäft im allgemeinen zu schwach. Muß man mit ihr arbeiten, so halte
man sie zu brauchbarer Melkarbeit an. Die Kleidung sollte sein: leichtes
leinenes Kopftuch, kurzärmelige Bluse, kurze Röcke. Daß die Milcheimer
sauber sein müssen, desgleichen die zur Aufbewahrung und Fortschaffung
dienenden Geräte, versteht sich von selbst. Waschwasser, Seife und Hand—
tücher sollten stets zur Stelle sein. Melken heißt arbeiten. Zum guten Melken
gehört eine kräftige Hand. „Strippen“ (leichtes Ziehen an den Zitzen) taugt
nichts. Üer die Melkmethode, ob nach Schweizer, Algäuer oder Hegelund—
schem Verfahren, soll hier keine Erläuterung Platz finden. Pünktliches Melken,
kräftiges Ausmelken, Ruhe im Stall und an der Kuh, Sauberkeit für Menschen
und Vieh gehören zum guten Melken.
Melken ist eine Kunst. Es wäre wahrlich besser, wenn das Fräulein
Tochter des einfachen Landwirts, statt Klavier zu üben, sch die Handgriffe
des Melkens aneignete, und wenn der Herr Sohn, statt sich auf den „Ein—
jährigen“ vorzubereiten, das Melken gründlich erlernte. In vielen Wirt—
schaften würde es besser bestellt sein, wenn an Stelle der „Finger- und Nagel—
pflege“ die Pflege des Viehes und vor allem das Melken sorgsamer und
berufsfreudiger besorgt würde. Die Bauern in der Schweiz, in Holland usw.
melken selbst, sie wissen, daß sie nicht mehr verdienen können als durch ge—
wissenhafte Fütterung und gutes Melken der Kühe; ihre Söhne melken mit,
und wo der „Herr“ Hand anlegt, da betrachten auch die Tagelöhner das Melken
nicht als eine Schande. (In Kuhställen für Kindermilch geschieht das Melken
in besonders sorgfältiger Weise. Das zu melkende Tier wird z. B. in ein
großes Laken gehüllt und nur das Euter freigelassen; oder die Kuh spaziert