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Kassen ins Leben gerufen worden, zu denen keineswegs die Arbeiter allein
ihre Beisteuer zu geben haben, die vielmehr zum größten Teile von dem
Deutschen Reiche und von den Arbeitgebern gefüllt werden; aus diesen werden
die notleidenden Arbeiter unterstützt und versorgt.
Wird ein Arbeiter von einem Unglück ereilt, welches ihn unfähig macht,
etwas zu erwerben, so erhält er eine fortlaufende Unterstützung, die, wenn
erforderlich, bis zu seinem Tode währt; verfällt er in eine Krankheit, so er—
hält er ärztlichen Beistand, Arznei und Geld zur Pflege des kranken Körpers;
wird er alt und schwach, so wartet seiner eine kleine Pension, die ihn vor
dem Geschicke bewahrt, mit seiner Hilfsbedürftigkeit anderen zur Last zu fallen.
Welch ein trauriges Los erwartete bisher eines solchen verunglückten,
erkrankten oder altersschwach gewordenen Arbeiters! Hatte er sich nicht etwas
gespart, so nahm ihn niemand gern auf, niemand wollte ihm helfen; er ver—
fiel dem Elende. Heute kann jeder getrost an seine Arbeit gehen; für den
Fall der Not ist Sorge getragen. Das ist das Vermächtnis des großen
Kaisers an die arbeitenden Klassen!
3. Wollte nun jemand schließen: Jetzt brauche ich nicht mehr um meine
Gesundheit besorgt zu sein, jetzt brauche ich auch nicht mehr zu sparen für
die Zeit der Not, so wäre derselbe nicht nur in hohem Maße undankbar,
sondern auch noch töricht nebenbei. Denn dazu reicht auch das Geld der
Kassen nicht, um so viel zu geben, wie man mit gesunden Händen und Gliedern
verdienen kann. Die den Verunglückten, den Kranken und Alten gezahlten
Unterstützungen sollen nur dazu dienen, der größten Not und der bittersten
Bedrängnis zu wehren. Wohl dem, der Zeit und Lust gehabt hat, sich einen
Spargroschen beiseite zu legen, zu arbeiten und zu schaffen mit seinen Händen,
daß er nicht nur selbst vor Not geschützt ist, sondern auch hat „zu geben dem
Dürftigen“; wohl dem, der niemals Anspruch zu erheben braucht auf das
Geld der Mbeiterkassen, weil ihm der liebe Gott in einem gesunden Körper
ein wertvolleres und höheres Gut verliehen hat!
4. Das große Werk, welches Kaiser Wilhelm J. begonnen hat, will sein
Enkel und Nachfolger Wilhelm II. fortsetzen und womöglich vollenden. Er
hat jene Gesetze durchgeführt und sucht nun noch in weiterem Umfange den
Arbeitern zu helfen. Die Arbeiter sollen vor zu großer Anstrengung ge—
schützt, die Frauen und Kinder vor schädlicher und ihre Gesundheit ge—
fährdender Arbeit bewahrt werden. Am Sonntage soll die Arbeit noch mehr
wie bisher beschränkt und, soweit es möglich ist, ganz beseitigt werden. Ein
wahrhaft christliches, ein freundliches, fröhliches Familienleben, welches an
den Abenden nach getaner Arbeit und zumal an den Sonntagen sich zu
erkennen gibt, soll auch in den Wohnungen der Arbeiter wieder geschaffen
werden, ein Familienleben, in welchem der Geist der Liebe und des Friedens
waltet.
5. Das sind gewaltige Aufgaben, die nur gelöst werden können, wenn
alle, Hohe und Niedere, Arbeitgeber und Arbeitnehmer, Männer und Frauen
willig mithelfen. Das sind Aufgaben, welche nicht in einem, auch nicht in
wenigen Jahren vollendet werden können, Aufgaben, so groß, aber auch so
heilig und so schön, daß nur die Macht der Liebe, die nicht das Ihre sucht,
sie bewältigen kann.