Full text: Lehr- und Lesebuch für Gesellenvereine und gewerbliche Fortbildungsschulen

Etwas über Obstbaumzucht und Weinbau 
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Weise in der Tasche, der sonst nutzlos im Bier- oder Schnapsglase oder am 
Kartentische vergeudet wird. Die allgemein verbreiteten, wohlbekannten Sagen 
vergrabenen Schätzen unter Obstbäumen mögen hierin ihre Erklärung 
mden. — 
Wollen wir gute Obstsorten haben, so müssen wir wilde Stämmchen ver⸗ 
edeln; denn die Fortpflanzung guter Obstsorten geschieht fast ohne Ausnahme 
durch Veredlung. Es wird nämlich das Edel- oder Pfropfreis auf irgend 
eine Art min dem Grundstamm (Wildling), oder mit den meist weniger edeln 
Obstbaumsorten so in Berührung gebracht, daß daraus eine neue Pflanze her⸗ 
vorgeht. Um nun die Wildlinge zur Veredlung zu erhalten, werden Obstkerne 
auf Beeten, welche man Samenschule nennt, ausgesäet. 
1. Das Kernbeet. Der hierzu bestimmte Platz muß eine freie, sonnige 
und luftige Lage haben, damit Sonne und Lust auf die jungen Stämmchen 
gehörig einwirken können. Es ist vorteilhaft, wenn er gegen Norden, Nordost 
ünd Nordwest durch Pflanzungen und Gebäude geschützt ist. Der Boden soll 
mittelmäßig gut sein, mehr schwer als leicht, mehr trocken als naß, von Natur 
fruchtbar. Die Beete legt man etwa1 Meter breit an und legt die Kerne in 
Rinnen, etwa 3 Centimeter von einander entfernt, oder man streut sie aus 
und harkt sie unter. Dies geschieht im Herbste im Oktober oder anfangs 
Novenber. Man sondere die Kerne nach den Obstsorten und bezeichne die 
Reihen mit einem bezifferten Pfahle. Am natürlichsten und vorteilhaftesten ist 
es, die Kerne gleich mit dem Obstfleische in die Beete zu legen, weil sie so 
an besten aufgehen. Den ersten Sommer hält man die Samenschule vom 
lnkraui rein und begießt sie bei großer Bürre. Im April des folgenden 
Jahres hackt man die Erde zwischen den Bäumchen mit einer kleinen Hacke 
Awas auf, sucht die Unkräuter heraus und bedeckt sie zum Winter, wie auch 
schon im ersten Jahre, mit wenig verwestem Dünger. Im folgenden Sommer 
werden die Beete wieder sorgfältig rein gehalten. 
Das Ausheben der Kernwildlinge und das Verpflanzen derselben in die 
Baumschule geschieht gewöhnlich im dritten Frühjahr nach der Anlage des 
Kernbecles Um die Bäumchen bei der Heraushebung vor Verletzung zu 
bewahren, gräbt man an der einen Seite der Reihe einen schmalen Graben, 
sticht mit dem Spaten unter die Wurzeln und hebt sie heraus. Hierauf beeilt 
man sich, sie in die Baumschule zu setzen. — 
2. Die Obstbaumschule. Wie bei dem Kernbeete, so sei auch bei der 
Baumschule die Lage frei und sonnig, der Boden milde und nicht übermäßig 
fett. Man setzt die Bäumchen auf nicht breite Beete in Reihen immer 
Meter von einander entfernt. 
Um die Bäumchen zum Verpflanzen gehörig zuzurichten, müssen sie an 
den Zweigen und Wurzeln gehörig beschnitten werden. Die Pfahlwurzel, 
lange Nebenwurzeln schneidet man ein wenig ab, alle schadhaften Teile aber 
ganz fort. Nun setzt man sie in Reihen, in Löcher, die Pfahlwurzel senkrecht, 
die Seuenwurzeln aber mehr wagerecht, streut mit den Händen feine Erde 
darüber und drückt sie fest. Bei dem Einsetzen achtet man darauf, daß jedes 
Baͤumchen wieder so tief in die Erde kommt, als es früher gestanden hat. 
Ju dem nun folgenden Sommer schneidet man die Zweige ab, welche 
unten am Stamme herausschießen, zum Herbste aber auch die meisten von 
den oberen, läßt aber den Stamm stehen. Den Boden reinigt man von Un⸗
	        
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