Full text: Lehr- und Lesebuch für Gesellenvereine und gewerbliche Fortbildungsschulen

Vorwort zur zweiten Auflage. 
Ein geachteter Pädagoge sagt: „Der Unterricht hört gewöhnlich da 
auf, wo er eigentlich erst recht beginnen sollte. Gerade die Zeit nach 
der Entlassung aus der Volksschule ist ohnehin auch am gefährlichsten für 
die Sittlichkeit und in bezug auf das Vergessen des Gelernten. Der Geist 
des Zöglings bedarf in dieser Periode der Beschäftigung mit etwas 
Hhöherem und der Anleitung zur Anwendung des Gelernten auf das 
Leben.“ — Das beste Mittel, dem Übelstande abzuhelfen, sind die Fort— 
bildungsschulen. Während also einerseits derselben eine hohe erziehliche 
Aufgabe zufällt, hat sie andererseits nicht minder dem Unterrichte in her— 
vorragender Weise zu dienen. Gerade in der Jetztzeit, wo Gewerbe und 
Industrie in hohem Aufschwunge begriffen sind und vielfach neue Bahnen 
einschlagen, ist dem jungen Handwerker nicht nur ein größerer sittlicher 
Ernst, sondern auch ein erhöhtes Maß von allgemeinem und technischem 
Wissen zur unerläßlichen Pflicht gemacht. 
In richtiger Würdigung dieser Verhältnisse ist daher das Fortbildungs— 
schulwesen in den letzten Jahren ein bevorzugter Gegenstand der allge— 
meinen Aufmerksamkeit der beteiligten Kreise geworden und sind für Lehr— 
weise und Lehrplan verschiedene Vorschläge und Anweisungen hervor— 
getreten. Die unterm 14. Januar 1884 vom Löniglichen Preußischen 
Unterrichtsministerium veröffentlichten „Fiele und Lehrpläne der gewerb— 
lichen Fortbildungsschulen“ (Centralblatt für die gesamte Unterrichtsver— 
waltung pro 1884) gelten nunmehr als gesetzliche Norm für die betreffen— 
den Schulen in Preußen und dürften auch als klärend für diese Schul— 
gattung Deutschlands anzusehen sein. Der Wichtigkeit halber sei dieser 
hohe Erlaß im wesentlichen mitgeteilt: 
„— Die Thatsache, daß an den gewerblichen Fortbildungsschulen die 
Unterrichtszeit im Durchschnitte nur 6 Stunden wöchentlich beträgt, wird 
bei der Aufstellung der Lehrpläne für dieselben nicht übersehen werden 
dürfen. Je beschränkter die zum Lernen verfügbare Zeit ist, desto mehr 
ist es geboten, unter den vielen an sich nützlichen Unterrichtsgegenständen 
eine Auswahl zu treffen und das für das gewerbliche Wesen Notwendigste 
voranzustellen. — 
Bei Annahme einer Unterrichtszeit von wöchentlich 6 Stunden wird 
sich die gewerbliche Fortbildungsschule auf die Lehrgegenstände beschränken 
müssen, welche dem Bedürfnisse des Handwerks und des kleineren Ge— 
werbestandes am nächsten liegen, und das sind nach allgemeinem Aner— 
kenntnis das Deutsche, das Rechnen nebst den Anfängen der Geometrie 
und — für die Mehrzahl der Handwerkslehrlinge — das Zeichnen. 
Jedem dieser Gegenstände werden in der RVegel zwei Stunden zu wid— 
men sein. 
Im Deutschen wird zunächst der Unterricht der Volksschule fortgesetzt, 
ein deutliches, das Verständnis förderndes Lesen geübt, das Gelesene mündlich 
wieder vorgetragen, in dem Rechtschreiben, der Interpunktion, der Gram— 
matik Belehrung erteilt und auf Verbesserung der Handschrift gehalten.
	        
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