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Zweiter Teil. In Dorf und heimat. 
Pflege nicht mehr fertig. Eins steckt das andere an. Wir werden's 
erleben, daß ganze Familien aussterben!“ Da flüstern die han— 
frieder: „Wißt ihr, wo die Maus läuft? Gestern war der Pfarrer 
beim Bachschmidtjörgs-Anton, dem jetzt schon zwei Söhne gestorben 
sind, und bei dem die Gretel, die älteste, auf den Tod liegen soll. 
Ja, dem tät's passen, daß er eine Krankenpflegerin kriegt in sein 
feuchtes Haus, in dem jedes, das eintritt, das Totenhemd schon an— 
hat!“ Und bald steht ein hanfrieder trotzig auf: „Leut', die was auf 
Sauberkeit halten und den Mist nicht in die Stube tragen, werden 
nicht gleich sterbenskrank. Und darum wollen wir die Leut' nicht 
verwöhnen mit einer Krankenpflegerin!“ Glatt fällt der Antrag 
des Pfarrers durch, und durch die hanfriedersippe läuft ein Froh— 
locken: „Gelt, ihr Schmidtjörge, wir haben's euch wett gemacht!“ 
Müßt ihr immer um die Ecke schielen und argwöhnen: hat nicht 
der und jener, der mein Feind ist, einen Profit davon? Es war 
einmal ein Großbauer, der seinen Knecht allemal wütend knallen ließ, 
wenn er durchs Dorf fuhr und sich dabei zähneknirschend die Ohren 
zuhielt. Man fragte ihn: „Warum laßt Ihr denn den Toni so 
knallen, wenn Ihr's doch nicht vertragt?“ da gab er zur Antwort: 
„Der Rösselwirt kann's Knallen auch nicht vertragen, und den will 
ich ärgern, bis er falsch wird!“ Wo dieser Geist herrscht, meidet 
das Glück das Dorf auf sieben Stunden Wegs weit. Wer seine Eigen— 
händel zum Grund seiner Gemeindepolitik macht, der gräbt am Grab 
des deutschen Bauerndorfes. 
Den guten Willen und die gerechte Tat muß man auch in dem 
Schaffen eines Gegners ehren, — das ist das Zeichen eines weisen, 
ernsten und tüchtigen Mannes. 
K. Hesselbacher, Der Kampf um das Glück auf dem Lande. 
108. Sommernacht. 
Es wallt das Korn weit in die Runde, 
und wie ein Meer dehnt es sich aus; 
doch liegt auf seinem stillen Grunde 
nicht Seegewürm, noch andrer Graus; 
da träumen Blumen nur von Kränzen 
und trinken der Gestirne Schein; 
o, goldnes Meer, dein friedlich Glänzen 
saugt meine Seele gierig ein. 
In meiner heimat grünen Talen, 
da herrscht ein alter, schöner Brauch: 
Wann hell die Sommersterne strahlen, 
der Glühwurm schimmert durch den Strauch, 
dann geht ein Flüstern und ein Winken, 
das sich dem ährenfelde naht, 
da geht ein nächtlich Silberblinken 
von Sicheln durch die goldne Saat.
	        
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