A. Im Vaterland.
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Vorfahren bislang gegen das staufische Königtum gehegt hatten,
gab sich ganz in des Kaisers Hand und übertrug sein bisheriges Eigen—
tum, das Castrum Lüneburg mit allen dazu gehörigen Burgen, Ländern
und Leuten zu lehensweiser Wiederverleihung auf das Reich. Der
Kaiser seinerseits verzichtete auf seine von den Töchtern des Pfalz—
grafen heinrich erworbenen Rechte an der Stadt Braunschweig und
wies diese gleichfalls dem Reiche zu. Nachdem dann Otto seine ge—
falteten Hände in die des Kaisers gelegt und auf das ihm dargereichte
heilige Kreuz des Reiches den Eid der Treue geleistet hatte, erklärte
ihn Friedrich zum herzog und Fürsten und belehnte ihn mit dem
zu einem herzogtume und Reichsfahnlehen erhobenen welfischen Erbe.
Seit dieser Zeit nannte sich Otto herzog von Braunschweig—
Lüneburg. Er war jetzt nicht mehr ein außerhalb des Keichs—
verbandes stehender Erbherr, sondern er trat als Reichsfürst in die
Reihe der andern. Auf diese Tatsache stützt sich die geschichtliche Weiter—
entwickelung unseres heimatlandes.
3. Rein Erbgesetz schützte indes das junge herzogtum Braunschweig—
Lüneburg vor Zersplitterung. Wie einst die Söhne heinrichs des
Löwen, so teilten auch die Söhne Ottos, Albrecht und Johann, das
väterliche Besitztum im Jahre 1629. Johann wählte den lünebur—
gischen Teil, während Albrecht den braunschweigischen behielt. Dieser
Teilung folgten andere, und so geschah es, daß das braunschweigisch—
lüneburgische Gebiet in eine Menge kleiner Fürstentümer zersplitterte.
Neben Braunschweig und Lüneburg wurden Göttingen, Grubenhagen,
Kalenberg, Wolfenbüttel, Celle u. a. zeitweise gesonderte Länder
mit eigenen herzögen. Macht und Ansehen der welfischen Fürsten
litt sehr durch diese Teilungen. Dreizehnmal ist das Land geteilt
worden, und einmal herrschten sogar sieben herzöge darin. — Uuch
andere weltliche Territorien Niedersachsens wurden geteilt, so im
Jahre 1345 die Grafschaft Hoya in eine „ouve“ und „nedere her—
schupp“. Diese Teilung der Grafschaft hoya ist für ihr Bestehen
verhängnisvoll geworden; denn durch sie wurde der Anfall beider
Teile an das herzogtum Braunschweig-Tüneburg vorbereitet.
4. Trotz der argen Zersplitterung des altsächsischen Herzogtums
erhielt sich im Volke das Bewußtsein von der Zusammengehörigkeit
der verschiedenen Gebiete. Sprache, Sitte und Brauch, Kleidung und
Wohnung, dazu Rechte und Gewohnheiten — das alles zeigte immer
wieder den gemeinsamen Ursprung und erinnerte an die Zugehörig—
keit zum Sachsenstamme. Mochte sich der Name Sachsen politisch
auch weiter nach Südosten und nach Mitteldeutschland verschieben,
die alteingesessene sächsische Bevölkerung befand sich nach wie vor
auf dem alten Boden, und es entstand in der Folge für die vielen
weltlichen und geistlichen Fürstentümer zwischen Weser und Unter—
elbe der gemeinsame Name Niedersachsen, der heute mehr
und mehr gebräuchlich wird und an Bedeutung gewinnt, weil er
die alte gemeinsame Stammesgrundlage der verschiedenen staatlichen
Gebiete unserer heimatlande am besten bezeichnet.