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Dritter Teil. Unser Vaterland.
5. Bis ins 12. und 13. Jahrhundert hinein gab es in nNieder—
sachsen nur bäuerliche Bevölkerung. Erst mit der Verleihung
des Stadtrechts an die durch Zoll, Markt, handel und Verkehr
größer gewordenen Ortschaften war die herausbildung eines be—
sonderen Bürgerstandes angebahnt. Diese Stadtrechtverleihungen aber
haben der Mehrzahl nach zwischen 1200 und 1300 stattgefunden
und hängen eng mit der zunehmenden territorialen Zersplitterung
der niedersächsischen Lande zusammen. Jeder Fürst wollte in seinem
Lande Orte haben, auf die er sich in Zeiten der Not verlassen
konnte: befestigte Orte an den Landesgrenzen, die dem herandrängen—
den Feinde den Weg sperrten. Daher wurde diesen Orten das Stadt—
recht verliehen, d. h. das Recht, erstens den Ort durch eine Mauer
zu schützen, zweitens Markt zu halten, drittens vom gräflichen Land—
oder Gaugericht ausgenommen (eximiert) zu sein und eigenes Stadt—
gericht haben zu dürfen. Bei der großen Zahl selbständiger Fürsten
in Niedersachsen wuchs somit auch die Zahl der Städte, besonders
in den einzelnen Gebieten des herzogtums Braunschweig-Lüneburg.
hannover, Göttingen, Stade, Einbeck, Ülzen, Alfeld, Osterode, Harburg,
Münden, Northeim, Nienburg usw. haben zwischen 1200 und 1300
städtische Gerechtsame erhalten, und die Mehrzahl der Städte zwischen
Göttingen und Lübeck ist in dieser Zeit emporgewachsen. Das Wort
„Statt“, das ursprünglich ganz allgemein Ruhestätte, Wohnstätte be—
deutet, erhielt jetzt die besondere Bedeutung von „Stadt“, d. h. eines
Ortes, der befestigt ist, der handel und Gewerbe treibt und eigenes
Gericht hat. Vorher bezeichnete das Wort „Burg“ die befestigte
Wohnstätte; daher kam der Name „Bürger“; er blieb für den Stadt—
bewohner, auch als die Bezeichnung Stadt vorherrschend wurde. Nun
erst entstand in unsern heimatlanden der Unterschied zwischen
Stadt und Land, zwischen Bürger und Bauer, und bürgerliches
Leben hob sich in der Folge immer schärfer von dem bäuerlichen
Leben ab. Aug. Tecklenburg.
148. herzog Georg von Kalenberg.
Der fromme Held, der glückliche Sieger hat triumphiert.
(Auf Georas Sterbetaler von 1641.)
1. Der herzog Wilhelm der Jüngere von Lüneburg-Celle war im
Jahre 1592 zu Celle gestorben. Er hatte nichts hinterlassen als ein
verarmtes Land, einen drohenden, höchst kostspieligen Prozeß um
das erledigte Herzogtum Grubenhagen und — 15 Kinder, 7 Söhne
und 8 Töchter. Wer sollte diese 8 Prinzessinnen standesgemäß aus—
steuern? Woher sollten die Mittel kommen, um sieben verheirateten
Prinzen eine anständige Hofhaltung zu gewähren? Einfach aus dem
Grundsatze, der auf den alten hannoverschen Münzen zu lesen ist:
„Aufrichtig und treu!“ Diese Treue hatte jenen 15 Fürstenkindern
ihre treffliche Mutter vorgelebt, Dorothea, Tochter des Königs von
Dänemark. In dieser Treue hat sie viele Jahre lang einen kranken
Mann gepflegt, ihr verarmtes Land trefflich regiert, ihre acht Töchter