Full text: [Theil 1, [Schülerband]] (Theil 1, [Schülerband])

155 
Und dies Meer, das die Halligen umgibt und so oft überwogt, dies an Gaben 
so arme und an Raub so reiche Meer ist noch dazu fortwährend ein Räuber, 
der bald mit langsamer, still untergrabender Macht, bald mit wildstürmender 
Gewalt ein Stück Land nach dem andern von dem Eiland abbricht, so daß der 
Halligbewohner schon die Jahre zählen kann, wann den Hütten und den Herden 
der letzte Raum genommen sein wird. 
Doch glücklich die Hallig, wenn hiermit ihr Bild vollständig gezeichnet 
wäre! Aber es bleibt noch eine furchtbare Seite übrig. Zur Gewohnheit sind 
die Ueberschwemmungen geworden, die, alles flache Land überwogend, an die 
Werfte hinauffteigen und an die Mauern und Fenster der Hütten mit ihrem 
weißen Schaum hinanschlagen. Da blicken denn diese Wohnungen aus der 
weiten, umrollenden Wasserfülle nur noch als Strohdächer hervor, von denen 
man nicht glaubt daß sie menschliche Wesen bergen daß Greise, Männer, 
Frauen und Kinder unterdessen vielleicht ruhig um ihren Theetisch her sitzen 
und kaum einen flüchtigen Blick auf den umdrängenden Ozean werfen. Aber 
es bricht der Sturm zugleich mit der Flut auf das bange Eiland ein. Die 
Wasser steigen gegen sechs Meter über ihren gewöhnlichen Stand hinauf. Der 
Erdhügel, der eine Zeit lang zitternd widerstand gibt nach; bei den un— 
ausgesetzten Angriffen bricht ein Stück nach dem andern ab und schießt hinunter. 
Die Pfosten des Hauses werden dadurch entblößt; das Meer faßt sie rüttelt sie 
Der Bewohner des Hauses rettet erst seine besten Schafe hinauf auf den Boden 
dann flieht er selbst nach, — und hohe Zeit war es! Denn schon stürzen die 
Mauern, und nur noch einzelne Ständer halten den schwankenden Dachboden, 
die letzte Zuflucht. Mit furchtbarem Siegesübermuth schalten nun die Wogen 
in dem untern Theile des Hauses, und der Stützpunkte des Daches werden 
immer weniger, des Daches, dessen Niedersturz rettungslos der Familie ein 
schäumendes Grab bereitet. Aengstlich pocht das Herz bei jeder Erschütterung 
immer enger drängen die Unglücklichen sich zusammen. In der Finsternis sieht 
keiner das entsetzensbleiche Antlitz des andern, im Donnergeroll der tobenden 
Wogen verhallt das bange Gestbhn; der Mann preßt das Weib, die Mutter 
ihre Kinder mit verzweiflungsvoller Todesgewißheit an sich; die Bretter unter 
ihren Füßen werden von der drängenden Flut gehoben; aus allen Fugen 
quellen die Wasser auf; das Dach wird durchlöchert. Da kracht ein Balken. 
Ein furchtbarer Schreckruf! Noch eine martervolle Minute! Noch eine! Der 
Dachboden senkt sich nach einer Seite; ein neuer Flutenberg schäumt herauf, 
und — im Sturmgeheul verhallt der letzte Todesschrei. 
Dennoch liebt der Halligbewohner seine Heimat, liebt sie über alles und 
der aus der Sturmflut gerettete baut sich nirgends sonst wieder an als auf 
dem Fleck, wo er alles verlor, und wo er in kurzem wieder alles, und sein Leben 
mit, verlieren kann. 
3. Hamburg. 
Nach Louis Thomas. 
Hamburg ist die bedeutendste, gröszte und reichste Hafenstadt Deutsch- 
lands, venn nieht des ganzen europäischen BFestlandes. Gleieh der anschwel- 
lenden Dlut, welehe die Kanäle der Stadt füllt, strömt und wogt hier das 
Lében, das mit hunderttausend unsiehtbaren Händen gewaltig ineinander greift. 
Hamburgs Lage an dem breiten, tiefen Elbstrome, in vgleben hier die sehift 
bare Albter mundet, ist eine überaus günstige. Mit der Ebbe segeln die Sehiffe 
se brend die Nut die ankommenden sieber in den BDafen trägt und
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.