Full text: [Theil 1, [Schülerband]] (Theil 1, [Schülerband])

8. Der Harz. 
Nach Johann Gottlieb Kuttzner. 
Da, wo Braunschweig, Anhalt und die preußischen Provinzen Sachsen und 
Hannover zusammenstoßen, erhebt sich als ein Gebirge von höchst eigenthüm— 
lichem Charakter und weltgeschichtlicher Berühmtheit: der Harz. — Uebertrifft 
ihn auch das Riesengebirge an Höhe, so darf er sich doch mit dem Erzgebirge 
und thüringer Walde messen, und zeichnet sich noch außerdem als das nördlichfte 
deutsche Gebirge aus welches aus seiner Umgebung sich plötzlich erhebt. 
Man theilt den Harz in den Oberharz Unterharz und Vorharz. Der 
Vorharz ist der Kern des Berges; er besteht aus granitartigem Urgestein und 
metallreichem Ganggebirge. Der Oberharz bildet den nordwestlichen Theil des 
Gebirges und trägt außer den sieben Bergstädten auch den berüchtigten und viel⸗ 
besuchten Brocken, den höchsten Punkt des ganzen Gebirges Starrheit und 
Wildheit charakterisieren den Oberharz. Das Finstre und Abenteuerliche hat 
hier seine Heimat; hier wird nach der Volkssage die Walpurgisnacht durch den 
Hexentanz begangen hier haben die Berggeister Hexenaltäre und Teufelskanzeln 
aufgebaut; hier liegt, von riesigen, abenteuerlich mit Strauchwerk und struppigen 
Dornen bewachsenen Granitblöcken umgeben, der Ort Schierke, dessen ärmliche 
Bewohner mit bleichen Gesichtern und dicken Hälsen fast wie Gnomen (Erd— 
geister) aussehen. x Dort rauscht die kalte Bode durch das schauerliche, enge, 
tannendüstre Thal; da liegen auch die malerischen Gruppen der Hohneklippen 
an deren Fuße treffliche Milchkühe weiden und mit melodischem Glockengeläute 
die einsame Wildnis beleben. Dort liegt endlich das zwar wilde und schwer 
zugängliche doch prächtige Thal der holden Emma, eins der schönsten und 
nächst der Roßtrappe das großartigste was der Harz aufzuweisen hat — In 
jähem Abfalle braust in jugendlichem Uebermuthe die Holzemme in ihrer „steinernen 
Renne“, fast in lauter kleinen Wasserfaͤllen vorwaͤrts springend, aber sorgsam 
vom Tannenzweig und dem zierlich geflederten Farrenkraut überschattet Hier 
in der „steinernen Renne“ ergreift dich der mächtige Gegensatz zwischen Berg 
und Ebene. Steigst du höher so befindest du dich plötzüch auf einem Felsen— 
vorsprunge, und vor dir öffnet sich das Thal zur lachenden Ebene nach Halber— 
stadt und Magdeburg mit den fruchtbaren Aeckern und großen Dörfern. 
n wir jetzt, was uns der Dichter Heine über eine von ihm gemachte Brocken⸗ 
ahrt erzählt. 
i an ging auf. Die Nebel flohen wie Gespenster beim dritten 
Hahnenschrei. Ich stieg wieder bergauf und bergab, und vor mir schwebte die 
schöne Sonne, immer neue Schönheiten beleuchtend Der Geist des Gebirges 
begünstigte mich ganz offenbar und ließ mich diesen Morgen seinen Harz sehen, 
wie ihn gewiß nicht jeder sah. Morgenthau feuchtete meine Wangen, die 
rauschenden Tannen verstanden mich, ihre Zweige thaten sich von einander be⸗ 
wegten sich herauf und herab, gleich stummen Menschen die mit den Händen 
ihre Freude bezeigen, und in der Ferne klang's wunderbar geheimnisvoll, wie 
Glockengeläute einer verlornen Waldkirche. Man sagt, das seien die Herden— 
glöckchen, die im Harz so lieblich klar und rein gestimmt sind 
Nach dem Stande der Sonne war es Mittag als ich auf eine solche Herde 
stieß, und der Hirt, ein freundlich blonder junger Mensch sagte mir, der große 
Berg, an dessen Fuß ich stände sei der alte, weltberühmte Brocken. Viele 
Stunden ringsum liegt kein Haus, und ich war froh genug, daß mich der junge 
Mensch einlud, mit ihm zu essen. Wir setzten uns nieder zu einer Mahlzeit, 
die aus Käse und Brot bestand; die Schäfchen erhaschten die Krumen die
	        
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