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Seite sich warnende Stimmen vernehmen. So schrieb der fromme Melanchthon
an Moritz: „Es zeigt die Erfahrung, daß Frankreich oft die deutschen Fürsten
wider ihren ordentchen Potentaten erregt hat, und hat sie hernach verlassen.“
Vergebens! Das Netz war fein und fest gesponnen; Moritz und seine
Bundesgenossen konnten überdies nicht mehr zurück, da die Sache ruchbar
geworden war, und sie nun die Rache des Kaisers mehr befürchten zu müssen
meinten, als Heinrichs etwaige Untreue. Sie schlugen los, vertrauend ihrer guten
Sache und ihrem Arm.
Gleichzeitig brach Heinrich mit starker Heeresmacht in das deutsche Gebiet
Lothringen ein. Die Städte Nanzig (Nancy), Tull (Toul) und Virten (Verdun)
oͤffneten ihm die Thore; nur das starke Metz mißtraute ihm und weigerte sich,
französisches Kriegsvolk einzulassen. Aber schon waren seine Helfershelfer thätig
Der Bischof Robert hielt dafür, daß es ein Gewinn für die katholische Kirche
sei, wenn die Stadt und mit derselben das Bisthum unter die Gewalt des
„allerchristlichsten?“ Königs kämen. Ob und wie weit das deutsche Vaterland da⸗
Zurch geschädigt werde zog er nicht in Betracht. Es wurden mehrere einfluß—
reiche Männer der Stadt in das Einverständnis gezogen, die französischen
Agenten ließen es an Versprechungen und auch an klingenden Gründen nicht
fehlen. Nicht lange währte es, und Heinrich bekam den Wink, die Frucht sei
reif zum Pflücken. — Da sandte er von Nanzig aus seinen Feldherrn, den
Connetable von Montmorency, gegen Metz vor. Dieser gab vor, nur durch
die Stadt ziehen zu wollen um mit seinen Truppen jenseit derselben ein
Lager zu beziehen. Die Mehrheit der Bürger war dagegen. Nun begehrte
er, nur mit einem Fähnlein in die Stadt zu ziehen. Lüge und Verrath öffneten
ihm die Thore, die Masse seiner Krieger drang nach, er that empört und ver⸗—
sicherte, schon morgen solle die Stadt wieder geräumt werden. Kaum aber
halte er sein ganzes Kriegsvolk in der Stadt, so bemächtigte er sich der Ge—
schütze, der Munition und des Proviants und besetzte die Thore. In den
naͤchsten Tagen danach setzte er ein Meuchelwerk der schauderhaftesten Art
in Scene, wie nur welsche Tücke es auszudenken und auszuführen fähig ist.
Nachdem er in der Stadt hatte verbreiten lassen, er sei plötzlich auf den
Tod erkrankt, bestellte er die protestantischen Schbffen der Stadt, die ihm
als seine Geguner bezeichnet worden waren, zu sich, angeblich um sein Testament
mit zu unterzeichnen, und als sie in sein Zimmer geführt worden waren,
sprang er mit dem Degen in der Faust von seinem Lager auf und durchbohrte
den Schöffen⸗Aeltesten, worauf seine Soldaten die übrigen Schbffen niederstießen.
Dannt war der Widerstand in der Stadt vollends gebrochen und der König
Heinrich hielt einige Tage darauf seinen feierlichen Einzug in die Stadt.
Nur noch zu einer Beschwerde wagte eine Zahl von Bürgern sich zu er—
heben. Einer der Bürger setzte ein Schreiben an die deutschen Reichsstände
uf, ein andrer übernahm es, dasselbe in Speyer zu überreichen. Die Sache
ard verrathen, beide Bürger wurden ohne weitres in der Mosel ertränkt die
übrigen Betheiligten mußten dafür, daß sie unterzeichnet hatten, vor dem fran⸗
zösischen Gewalthaber auf den Knien Abbitte leisten.
Das Endergebnis des weitern Verlaufs der Sache war: die drei Bis⸗
thümer Metz, Toul und Verdun mit einem Landgebiet von fünfzig Geviertmeilen
blieben in der Gewalt Frankreichs.
Deutschland war von ihm ersehen, beraubt und ausgebeutet zu werden.
Immer und immer wieder mußten die Deutschen die Erfahrung machen daß
dem bosen Nachbar trauen so viel heiße, als sich blindlinas ausrauben zu lassen.