Full text: [Theil 1, [Schülerband]] (Theil 1, [Schülerband])

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Kürze dir indessen die Zeit mit deinen holden Verwandten, denn 
ich mag nicht daheiin bleiben." Da gedachte sie an die Geschichte, 
welche sie Hagen erzählt hatte, und getränte sich doch nichts git 
sagen, sondern beklagte, daß sie je geboren ward, und ohne Maß 
weinte das wunderschöne Weib. Sie sprach zu dem Recken: „Lasset 
Euer Jagen sein! Mir träumte heute Nacht ein Unglück, wie Euch 
zwei wilde Schweine über die Heide jagten, und die Blumen wur¬ 
den rot; ich habe wahrlich Ursach, so sehr zu weinen. Ich fürchte 
gar sehr etlicher Leute bösen Rat, die uns feindlichen Haß zuwen¬ 
den , weil man vielleicht ihrer einen einmal beleidigte. Bleibet, 
lieber Herr, das rat' ich Euch mit Treue." — „Meine liebe Traute, 
ich komm' in kurzer Frist zurück. Ich weiß keiue Leute, die mir 
Haß hegen sollten: alle deine Verwandten sind mir hold, auch hab' 
ich's um sie nicht anders verdient." — „O nein, Herr Siegfried; 
ja ich fürchte beirten Fall! Mir träumte heute Nacht ein Unglück, 
wie über dir zwei Berge niederfielen, und ich sah dich nimmermehr; 
willst du von mir scheiden, so thut mir's von Herzen weh." Er 
aber umfing mit seinen Armen das tugendreiche Weib und herzte 
sie; dann schied er rasch von ihr, und sie sah ihn leider nimmer 
gesund wieder. 
Da ritten sie von dannen in den Wald, und mancher schnelle 
Ritter folgte zur Kurzweil Günthern und Siegfrieden; Gernot und 
Giselher aber blieben daheiin. Viele beladene Rosse trugen für 
die Jagdgesellen Brot, Fleisch und Fische imd mancherlei Gerät, 
wie es einem so reichen Könige zukommt. Man hieß die stolzen 
schnellen Degen vor dem grünen Walde gegen die Wildbahn, wo 
sie jagen sollten, auf einem breiten Anger Herbergen. Die Jagd¬ 
gesellen stellten sich an allen Enden auf die Lauer, da sprach der 
kühne Mann Siegfried der Starke: „Wer soll uns in den Wald 
nach dem Wilde weisen, ihr raschen Degen?" „Wir wollen uns 
scheiden, antwortete Hagen, ehe wir hier zu jagen beginnen; dabei 
werden wir sehen, wer die besten Jäger bei dieser Waldreise sind. 
Leute und Hunde wollen wir teilen, darauf gehe jedweder, wohin 
er am liebsten will; wer dann das Beste jagt, der soll den Dank 
dafiir haben." Da verweilten die Jäger nicht lange bei einander. 
Herr Siegfried sprach: „Der Hunde kann ich entraten bis auf 
einen Bracken, der so genossen hat, daß er die Fährte der Tiere 
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