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11. „Hallo! Hallo! Frisch auf, gewagt!“
Hoch hielt der Graf den Preis empor.
Ein jeder hört's, doch jeder zagt, —
aus Tausenden tritt keiner vor.
Vergebens durchheulte mit Weib und Kind
der Zöllner nach Rettung den Strom und
Wind.
12. Sieh, schlecht und recht, ein Bauersmann
am Wanderstabe schritt daher,
mit grobem Kittel angetan,
an Wuchs und Antlitz hoch und hehr.
Er hörte den Grafen, vernahm sein Wort
und schaute das nahe Verderben dort.
13. Und kühn in Gottes Namen sprang
er in den nächsten Fischerkahn;
trotz Wirbel, Sturm und Wogendrang
kam der Erretter glücklich an.
Doch wehe! der Nachen war allzu klein,
um Retter von allen zugleich zu sein.
14. Und dreimal zwang er seinen Kahn
trotz Wirbel, Sturm und Wogendrang,
und dreimal kam er glücklich an,
bis ihm die Rettung ganz gelang.
Kaum kamen die letzten in sichern Port,
so rollte das letzte Getrümmer fort. —
15. „Hier,“ rief der Graf, „mein wackrer
Freund!
Hier ist dein Preis! Komm her! Nimm
hin!“ —
Sag an, war das nicht brav gemeint? —
Bei Gott! der Graf trug hohen Sinn.
Doch höher und himmlischer, wahrlich! schlug
das Herz, das der Bauer im Kittel trug.
16. „Mein Leben ist für Gold nicht feil.
Arm bin ich zwar, doch ess' ich satt.
Dem Zöllner werd' Eu'r Gold zuteil,
der Hab und Gut verloren hat!“
So rief er mit herzlichem Biederton
und wandte den Rücken und ging davon.
17. Hoch klingst du, Lied vom braven Mann
wie Orgelton und Glockenklang.
Wer solches Muts sich rühmen kann,
den lohnt kein Gold, den lohnt Gesang.
Gottlob, daß ich singen und preisen kann,
unsterblich zu preisen den braven Mann.
5. Der Taucher.
Friedrich von Schiller.
1. „Wer wagt es, Rittersmann oder
Knapp,
zu tauchen in diesen Schlund?
Einen goldnen 3 werf' ich hinab;
verschlungen schon hat ihn der schwarze
Mund.
Wer mir den Becher kann wieder zeigen,
er mag ihn behalten, er ist sein eigen.“
2. Der König spricht es und wirft
von der Höh'
der Klippe, die schroff und steil
hinaushängt in die unendliche See
den Becher in der Charybde Geheul.
„Wer ist der Beherzte, ich frage wieder,
zu tauchen in diese Tiefe nieder?“
3. Und die Ritter, die Knappen um
ihn her
vernehmen's und schweigen hu
sehen hinab in das wilde Meer,
und keiner den Becher gewinnen will.
Und der König zum drittenmal wieder
fraget:
„Ist keiner, der sich hinunterwaget?“
4. Doch alles noch stumm bleibt wie
zuvor;
und ein Edelknecht, sanft und keck,
tritt aus der Knappen zagendem Chor,
und den Gürtel wirft er, den Mantel weg.
Und alle die Männer umher und Frauen
auf den herrlichen Jüngling verwundert
s