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zu meinem Wagen und fuhr hierher, auf der Straße überall von stürmischen
Hurras der heranziehenden Trains (spr.: Trängs) begrüßt, die überall die
Volkshymne anstimmten. Es war ergreifend! Alles hatte Lichter angezündet,
so daß man zeitweise in einer improvisierten Illumination fuhr. Um 11 Uhr
war ich hier und trank mit meiner Umgebung auf das Wohl der Armee, die
solches Ereignis erkämpfte.
Da ich am Morgen des 2. noch keine Meldung von Moltke über die
Kapitulatiönsverhandlungen erhalten hatte, die in Donchery stattfinden sollten,
so fuhr ich verabredetermaßen nach dem Schlachtfelde um 8 Uhr früh und
begegnete Moltke, der mir entgegenkam, um meine Einwilligung zur vor—
geschlagenen Kapitulation zu erhalten, und mir zugleich anzeigte, daß der
Kaiser früh 5 Uhr Sedan verlassen habe und auch nach Donchery gekommen sei.
Da derselbe mich zu sprechen wünschte und sich in der Nähe ein Schlößchen
mit Park befand, so wählte ich dies zur Begegnung Um 10 Uhr kam ich
auf der Höhe vor Sedan an; um 12 Uhr erschienen Moltke und Bismarck mit
der vollzogenen Kapitulationsurkunde; um 1 Uhr setzte ich mich mit Fritz
in Bewegung, von der Kavallerie-Stabswache begleitet Ich stieg vor dem
Schlößchen ab, wo der Kaiser mir entgegenkam. Der Besuch währte eine
Viertelstunde; wir waren beide sehr bewegt über dieses Wiedersehen— Was
ich alles empfand, nachdem ich noch vor drei Jahren Napoleon auf dem
Gipfel seiner Macht gesehen hatte, kann ich nicht beschreiben.
Nach dieser Begegnung beritt ich von /23 bis /28 Uhr die ganze
Armee vor Sedan.
Der Empfang der Truppen, das Wiedersehen des dezimierten Garde—
korps, das alles kann ich Dir heute nicht beschreiben; ich war tief ergriffen
von so vielen Beweisen der Liebe und Hingebung.
Nun lebe wohl mit bewegtem Herzen am Schlusse eines solchen Briefes
Wilhelm.
30. Die Bayern bei Bazeilles,“) 1. September 1870.
Herm. Müller-Bohn, aus Patriotischer Hausschatz“.
1. Das 1. bayrische Korps (spr.: Kohr) unter dem General v. der Tann
erbffnete in der Frühe des 1. Septembers das gewaltige Völkerringen vor Sedan
mit dem Angriffe auf Bazeilles Das Dorf war von den Franzosen mit Marine—
Infanterie besetzt; alles war schon am vorhergehenden Abende auf eine zähe
Verteidigung voͤrbereitet worden; überall erhoben sich Barrikaden; nur die
Besatzung war nicht vorbereitet; denn mit echt französischer Leichtlebigkeit
hatte sie sich in den Häusern deni Schlummer hingegeben; erst das brausende
Hurra der in die Stadt eindringenden Bayern störte sie aus ihrem Schlafe
duf. Bald begann ein entsetzlicher Kampf, auf beiden Seiten mit der äußersten
Erbitterung geführt. Jedes der steinernen Häuser war in ein Bollwerk ver—
wandelt; im blinden Eifer nahmen selbst die Einwohner an dem Kampfe teil.
Am entsetzlichsten tobte das Gefecht am nordwestlichen Ende des Dorfes.
Hier bot ein von hohen Mauern umragtes, von einem weiten Park umgebenes
Schloß, das wirksam durch die unmittelbar sich daran schließenden Höhen ge—
schützt war, den Verteidigern eine vorzügliche Deckung; dem Auge des Angreifers
völlig entzogen, strömten dem Feinde fortwährend frische Reserven zu, und
die Verluste der bayrischen Bataillone (spr.: Bataljoͤne) waren hier groß.
Baßẽj.
ich:
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