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stützt von der Kunde seiner bei der Niederwerfung des indischen Aufstandes
bewiesenen Macht und seiner Siege in China. Mit dem Handel kam mehr
und mehr europäisches Denken in das abgeschlossene Land; der Gährungs—
prozeß begann, aus dem das heutige Japan hervorging.
Nach der „Rundschau“.
Deutsche Kolonieen.
Schon in den vierziger Jahren hatte man die im Verhältnis zu früher
außerordentlich angeschwollene Auswanderung nach Nordamerika als eine be—
denkliche volkswirtschaftliche Schädigung des Vaterlandes erkannt, und mit
Recht! Denn der Auswanderer entzieht der Heimat nicht nur sein Kapital,
das er zur Überfahrt und Ansiedelung verwendet, sondern — was noch mehr
ins Gewicht fällt — seine Arbeitskraft. Um diesem Übelstand entgegenzuͤ—
wirken, bildeten sich schon damals eine größere Anzahl von Kolonisations—
gesellschaften mit der ausgesprochenen Absicht, den Strom der Auswanderung
nach solchen Gegenden zu lenken, wo es möglich schien, den Auswanderern
ihr Deutschtum zu erhalten und durch engere Verbindung mit dem Mutter—
land diesem einen größeren Vorteil von der wirtschaftlichen Thätigkeit der
Ausgewanderten zu sichern. Nur wenigen der damals — zum Teil mit
ungenügenden Mitteln — gegründeten Kolonieen war es möglich sich zu be—
haupten und einen gewissen Grad von Wohlstand zu erreichen. Von allen
sind vielleicht nur zwei zu nennen: Valdivia in Süd-Chili und Donna
Franziska in der brasilianischen Provinz Santa Katharina. Es ist dies
leicht erklärlich. Bei der Zerrissenheit und Zerfahrenheit der deutschen Zu—
stände vor 1871 war ein einheitliches kräftiges Vorgehen nicht zu erzielen,
und da der Deutsche im Ausland auf den Schutz seiner Nation nicht rechnen
konnte, so verleugnete er, sobald es ihm möglich war, seine Abstammung,
eignete sich Sprache und Sitten seiner Umgebung an und ging nach kurzer
Zeit in der fremden Nation auf. Erst der im Jahr 1871 erfolgten Einigung
aller deutschen Stämme und der Errichtung eines mächtigen Deutschen Reiches,
sowie der Gründung einer deutschen Flotte war es vorbehalten, hier Wandel
zu schaffen. Im Gegensatz zu früher fanden aber die Kolonisationsbestrebungen
jetzt nicht mehr darin ihr Ziel, die Auswanderung zu organisieren, sondern
dieselben stellten sich die Aufgabe, unserer immer mächtiger sich ent—
wickelnden heimischen Industrie neue Absatzgebiete zu schaffen und unserem
Handel neue Wege zu öffnen. Die Reichsregierung unterstützte diese Be—
strebungen durch Abschluß von Handelsverträgen, Ernennung von Konsuln u. dgl.,
auch war sie bemüht, eine unbedingte Handels- und Verkehrsfreiheit mit gleicher
Behandlung aller Nationen in den herrenlosen Gebieten der Südsee herzu—
stellen. England stand in dieser Beziehung Deutschland zur Seite, so lange
es selber den Vorteil von dieser Verkehrsfreiheit genoß; als ihm aber der
deutsche Mitbewerb anfing lästig zu werden, wußte es Mittel und Wege genug
zu finden, um Deutschlands Wege zu durchkreuzen. Immer mehr kam man
deutscherseits zur Erkenntnis, daß für den deutschen Handel wie für die von
Deutschen gegründeten Niederlassungen — namentlich in herrenlosen n
— ein größerer Schutz erforderlich sei, als die mitunter zweideutigen und