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doch verkauften sie die Sündenvergebung. Sie handelten gewissenlos
und gotteslästerlich, denn sie kannten den göttlichen Willen, der
wahre Buße verlangt, aber mit Absicht entstellten sie ihn. Ihnen
mangelte das Wohlwollen für das Volk, denn sie kannten den
Schaden, den sie den Leuten nicht nur an irdischem Gute, sondern auch
an der Seele zufügten. Sie entehrten die Kirche und würdigten sie
zum Markte herab.
Welche Schuld trifft die Abnehmer des Ablasses? Das
arme Volk kann man nur bedauern. Es wird geblendet und bethört,
belogen und betrogen. Wie gern opfert es die mühsam ersparten
Groschen, um sich Gottes Wohlgefallen zu erwerben. Es glaubt sich
sür den Himmel gerettet und geht ihm doch mehr verloren, es fühlt sich
glücklich und wird doch immer unglücklicher. „D über die mehr als
eg>-ptische Finsternis! O über die Gefahren unsrer Zeit!*) Wie sicher
sind wir in allen unsern so schrecklichen Übeln!"
Und warum verdienen auch die Seelsorger und Lehrer
des Volkes unsern Tadel?
Sie hatten die Schändlichkeit des Ablaßhandels gewiß erkannt,
aber sie schwiegen und ließen das Volk im Dunkeln wandeln, ja sie
führten es sogar dem einziehenden Mönche entgegen und begleiteten
diesen Betrüger in die Kirche. „D über diese schlafenden Priester!"
Hat denn keiner den Mut, gegen den groben Mißbrauch Widerspruch
zu erheben? (Die Kinder kommen von selbst darauf und sprechen ihre
Erwartungen darüber aus, daß Luther, der in Dresden so mutvoll gegen
den Heiligendienst ausgetreten ist, auch gegen den Ablaßhandel nicht
schweigen wird.)
Zusammenfassung.
Zweites Ziel: Luther heftet eine Schrift an die Schlo߬
kirche zu Wittenberg. Darauf steht: Kauft keinen Ablaß,
alles ist falsch!
I. Analyse.
Wie mag Luther vom Ablaß gehört haben?
Vielleicht ist Tetzel auch nach Wittenberg gekommen, oder die
Leute sind nach Jüterbogk gegangen. Die Wittenberger haben gewiß
auch Ablaß von ihm gekauft und sich über den leicht erworbenen Erlaß
der Sündenschuld schwelgerisch gefreut. Die ganze Stadt mag in Be¬
wegung gekommen sein. Überall redet man von Tetzel. Auch Luther
erzählt man davon. Er hört von den glänzenden Auszügen, die das
gläubige Volk bewundernd geschaut, von der Predigt, die allen gefallen,
und von dem Handel auch, an dem sich alles beteiligt hat. Er bekommt
wohl gar Ablaßbriefe zu sehen und beobachtet mit Schrecken, wie die
Menschen frecher und sicherer sündigen. Das mag ihn empören.
*) Luther.