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Rechte der Krone bei den Bischofswahlen hielt er fest, aber auf welt¬
liche, nicht auf geistliche Grundlagen stützte er feme Krone. Bei Otto I.
war das sofort anders. In bewußtem, scharf hervortretendem Gegen¬
satze zum Vater vollzog er seine Krönung und Salbung. Und was
dieser geistliche Akt in seinem Sinne bedeutet, das zeigte sich im Ver¬
laufe seiner Regierung immer deutlicher. Der Kirche und kirchlichen
Instituten wies man immer größern Besitz zu; in ganzen Grafschaften
wurden die Regierungsrechte an Bischöfe und Äbte übertragen. Es
kam dahin, daß die eigentlichen Staatsbeamten in den Bischöfen ge¬
sehen wurden, daß die Regierung Deutschlands mehr auf den Bischöfen
als auf weltlichen Schultern ruhte. Die Bischöfe waren für Otto und
seine Nachfolger das Gegengewicht gegen Grafen und Herzoge. Gewiß,
ein durchaus falsches Bild dieser Zustände würde entstehen, wenn ich
diesen Sätzen nicht sofort den weitern hinzufügte: jene Bischöfe der
deutschen Kirche waren nur Kreaturen des Königs, waren nur ihm
ergebene Persönlichkeiten, deren Fähigkeit und Gesinnung in den Ge¬
schäften der königlichen Kanzlei erprobt und die zur Belohnung ihrer
Treue nach durchgemachter Schule der Reichsgeschäfte solche zu¬
gleich kirchliche und politische Posten angewiesen erhielten. Und auch
das werden wir leicht zugeben: wenn einmal dies die Methode der
Reichsregierung sein mußte, dann war es ein nicht zu verachtender
Vorteil, daß der deutsche König in seiner Eigenschaft als Kaiser die
Kirche regierte und über das Papsttum in Rom wie über sein dienen¬
des Werkzeug verfügte. Was ich in Frage stelle, ist die Zweckmäßig¬
keit oder gar die Notwendigkeit einer solchen Politik. Und diesen Ein¬
wurf, dieses kritische Bedenken schöpfe ich wiederum nicht aus unsern
modernen, ganz anders gearteten Vorstellungen von Staat und Kirche,
sondern wiederum weise ich hin auf die Opposition, die Otto und
sein Bruder Bruno (welchem vornehmlich die Einführung dieses Re¬
gierungssystems zugeschrieben wird) bei einem Teile ihrer Zeitgenossen
gesunden. Auch aus der uns erhaltenen, von Weihrauch und Kaiser¬
duft ganz ausgefüllten Literatur jener Zeit geht hervor, daß Stimmen
damals laut geworden sind, welche es tadelten, daß ein Bischof, dem
die Sorge um das Seelenheil der Menschen obliegen sollte, sich mit
der Verwaltung weltlicher Geschäfte und militärischer Angelegenheiten
beschäftige; unsre Berichterstatter gedenken jedoch diesen Tadel durch
alttestamentliche Beispiele abzulehnen.
Und sehr bedenklich muß es doch von vornherein einer unbefan¬
genen Erwägung erscheinen, das Reich auf die Kirchendiener zu stützen.
Das deutsche Bistum hat hiernach eine doppelte Seite: Geistliche der
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