104
Pierte Periode. Von 1600—1750.
57. Auf die Weise des 104. Psalms.
1. Auf, auf, mein Herz und du, mein ganzer Sinn.
Wirf alles das, was Welt ist, von dir hin!
Im Fall du willst, was göttlich ist, erlangen,
So laß den Leib, in dem du bist gefangen!
Die Seele muß von dem gesäubert sein,
Was nichts nicht ist als nur ein falscher Schein,
Muß durch den Zaum der Tugend dämpfen können
Die schnöde Lust der äußerlichen Sinnen.
2. Ein jeder Mensch hat etwas, das er liebt,
Das einen Glanz der Schönheit von sich gibt:
Der suchet Geld und trauet sich den Wellen,
Der grübet fast bis an den Schlund der Höllen;
Viel machen sich durch Kriegertat bekannt
Und stehn getrost für Gott und für ihr Land:
Der denket hoch und strebet ganz nach Ehren,
Und jener läßt die Liebe sich betören.
3. Indessen bricht das Alter bei uns ein,
In dem man pflegt um nichts bemüht zu sein;
Eh' als wir es recht mögen innen werden,
So kommt der Tod und ruft uns von der Erden.
Wer aber ganz dem Leib' ist abgetan.
Und nimmt sich nur der Himmelssorgen an,
Setzt allen Trost auf seines Gottes Gnaden,
Dem kann noch Welt noch Tod noch Teufel schaden.
4. Ten Anker hat der Noah eingesenkt,
Da als er war mit Luft und See verschränkt;
Der große Trost hat Abraham erquicket,
Als er sein Schwert nach Isaak gezücket.
Der Glaube muß von Gott erbeten sein,
Der einig macht, daß keine Not noch Pein
Und Todesangst auch den geringsten Schmerzen
Erwecken kann in frommer Leute Herzen.
5. Drum schau, o Mensch, hinauf und über dich,
Nach dem, was nicht den Augen zeiget sich,
Was niemand kann beschließen in den Schranken
Der Sterblichkeit und flüchtigen Gedanken.
Vollbringst du das, mein Herz, und du, mein Sinn,
Unl> legst die Last der Erden von dir hin,
Sagst ab dem Leib, in dem du bist gefangen,
So wird Gott dich, und du wirst Gott erlangen.