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schen Hochlande und in Tirol Heilung gesucht hatte, ging er im Herbste
nach San Remo in Italien. Aber auch das milde Klima Italiens half
mcht. Das Verden verschlimmerte sich schnell. Die berühmtesten Ärzte
standen der unheimlich vorrückenden Krankheit machtlos gegenüber Nach
der Untersuchung durch Professor Schrötter aus Wien fragte der Kronprinz:
„Ist es Krebs?" Schrötter antwortete: „Kaiserliche Hoheit, es ist eine
bösartige Neubildung!" Schweigend und ruhig hörte der Kronprinz sein
Todesurteil wie ein echter Held. Im Februar 1888 hatte sich die An-
Schwellung des Kehlkopfes so stark vergrößert, daß der Luftröhrenschnitt
vorgenommen werden mußte, um der Erstickungsgefahr vorzubeugen. Ein
Lnftröhrchen wurde eingesetzt, durch das der Kronprinz atmete. Er verlor
die Sprache und mußte seine Wünsche durch Niederschrift zu erkennen
geben. Trotz aller Leiden kam nie eine Klage über seine Lippen.
5. Sein starkes Pflichtgefühl als Kaiser und sein Ende. Als er
am 8. März die Kunde von dem Ableben seines Vaters erhielt, raffte er
sich mit aller Kraft vom Siechenbette auf und kehrte, seiner Pflicht getreu,
sofort nach Deutschland zurück. Unter dem Namen „Friedrich III." über¬
nahm er die Regierung. Am 12. März erschien der Erlaß „An mein
Volk" und ein andrer an den Reichskanzler. Beide Erlasse bezeugten seine
edle Gesinnung und die hohe Auffassung seiner Herrscherpflichten. Unter
den schwersten Qualen der unheilbaren Krankheit, welche die liebevolle
Pflege seiner Gemahlin nach Möglichkeit zu lindern suchte, erfüllte er
heldenmütig die Aufgaben seines Berufes. Dem Generalfeldmarschall
Blumenthal schrieb er ans ein Blatt: „Glauben Sie mir, es ist fast nicht
mehr zu ertragen. Beten Sie nicht für meine Genesung, sondern für meine
Auflösung." Sein Sohn, der jetzige Kaiser, erhielt auf einem Zettel die
denkwürdigen Worte: „Lerne leiden, ohne zu klagen." Am 24. Mai war
es ihm noch vergönnt, die Vermählung feines Sohnes Heinrich mit der
Prinzessin Irene von Hessen zu feiern. Bald darauf nahmen seine
1888 Kräfte sichtlich ab, und die Atemnot steigerte sich. Am 15. Juni 1888
vormittags verschied er saust, umgeben von seiner Familie, im Schlosse
„Friedrichskron" (Neues Palais) in Potsdam. Kaiserin Viktoria sandte
folgende Depesche an die Mutter ihres Heimgegangenen Gemahls: „Um
Deinen einzigen Sohn weint diejenige, die so stolz und glücklich war, seine
Frau zu sein, mit Dir, arme Mutter. Keine Mutter besaß solchen Sohn.
Sei stark und stolz in Deinem Kummer. Viktoria." Auch sein Leben er-
innert an das Wort von dem Neide der Götter.
Dem deutschen Volke wird seine edle Siegfriedsgestalt, seine Leut¬
seligkeit und Freundlichkeit, sein Schaffen und fein schönes Wollen, vor
allem aber sein heldenhaftes Dnldertnm unvergeßlich bleiben.
Sein Wahlspruch war: „Furchtlos und beharrlich". Andere
Merkworte von ihm sind: „Ich bin stolz darauf, Gut und Blut einzusetzen
für die heiligsten Güter des Vaterlandes. — Ich kenne kein anderes Ziel
meines Strebens als das Glück und die Wohlfahrt des Vaterlandes."
Fragen: Wodurch hat Kaiser Friedrich sich ein hohes Verdienst um Deutsch-
land erworben? - Welche segensreiche Tätigkeit haben Kaiser Friedrich und seine
Gemahlin für das Wohl der unteren Klassen entfaltet? — Worin beruht die
menschliche Größe Kaiser Friedrichs? — „Kaiser Friedrich HJ." von Fontane.