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119. Der große deutsche imeg von 1866.
Heldenmut und in willigem Gehorsam stürmten die Braven gegen die furcht¬
baren Kanonen an; kein Hindernis hielt sie auf, und binnen wenigen Stunden
wehte die schwarz-weiße Fahne auf allen zehn Schanzen. Die Dänen mußten
sich auf die naheliegende schleswigsche Insel Alsen zurückziehen, das ganze Fest¬
land war in der Gewalt der Verbündeten.
4. Dänemark hatte aber namentlich an England einen warmen Freund,
und auf dessen Betrieb ward ein Waffenstillstand abgeschlossen. Noch hätte
Christian IX. Herr von Schleswig-Holstein bleiben können, wenn er sich ent¬
schlossen hätte, die Rechte der Deutschen zu achten; aber der Trotz der Dänen
war noch nicht gebrochen, sie hielten sich auf ihren Inseln für unüberwindlich
und sie hofften noch immer auf Englands und Frankreichs thätigen Beistand.
So blieben die Verhandlungen erfolglos, und noch einmal griff man zum
Schwerte. Am 29. Juni beim ersten Morgengrauen gingen die Preußen auf
Kähnen nach der Insel Alsen hinüber; die Landung glückte trotz der furcht¬
barsten Schwierigkeiten, und noch an demselben Tage mußten die Dänen nach
schweren Verlusten die ganze Insel räumen. Bald darnach nahmen die Ver¬
bündeten auch die friesischen Inseln an der Westküste von Schleswig ein, und
die junge preußische Flotte hatte gegen die altberühmten dänischen Seehelden mit
Ehren ihre ersten Kämpfe bestanden.
Da erkannten endlich die Dünen, wie verderblich jeder weitere Widerstand
sei. Durch den Wiener Frieden im Oktober 1864 trat Christian IX. die
Herzogtümer Schleswig, Holstein und Lauenburg an Preußen und Österreich
ab, und die Sieger übernahmen gemeinsam die Regierung der nun für immer
zu Deutschland gehörigen Länder. So hatte Preußens zugleich kühnes und
ehrliches Verfahren trotz der Mißgunst eines großen Teiles des deutschen Volkes
einen außerordentlichen Erfolg zum Besten Deutschlands errungen. H. Zeck.
119. Der grofze deutsche Krieg von 1866.
1 TYe gemeinsame Regierung, welche Preußen und Österreich in den neu
Jy erworbenen Ländern Schleswig-Holstein und Lauenburg führten,
offenbarte recht augenscheinlich, eine wie verkehrte und unangemessene Stellung
Preußen im deutschen Bunde einnahm. Preußen war der größte reindeutsche
Staat und hatte in den Befreiungskriegen durch kühnste Thaten die herrlichsten
Erfolge für Deutschland errungen; dennoch hatte die Eifersucht der anderen
Fürsten verhindert, daß die westliche Masse seines Gebietes mit der östlichen in
den richtigen Zusammenhang gebracht würde, und am Bundestage suchten die
übrigen deutschen Staaten durch ihre Mehrheit das kühn aufstrebende Preußen
immer niederzuhalten. Das war um so unbilliger, weil im Fall eines Krieges
Preußen die Hauptlast für Deutschland tragen mußte und das preußische Volk
fast über seine Kräfte angestrengt ward, um seine deutschen Brüder gegen das
Ausland schützen zu können. Es war also eine Notwendigkeit für den König
Wilhelm und seinen Minister Bismarck, dahin zu streben, daß Preußen im
deutschen Bunde die Macht bekäme, die seinen Leistungen und Anstrengungen
gebührte.
Zu einer solchen Machterweiterung war die Gelegenheit nach dem glorreichen
Ausgang des deutsch-dänischen Krieges gegeben. Preußen mußte und wollte