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blicklich der Vorgang. Die Kaiserjacht sendet ihren Begleitern ihren Mor¬
gengruß und gibt ihre Befehle für den kommenden Tag.
Unterdessen eilt der Wachtmeister mit seinen Maaten durch die
Zwischendecks, in denen die Hängematten der Mannschaften unter den
Deckspanten hängen. „Rise, rise,“ geht der Weckruf der 5eeleute leise
von Mund zu Mund. Und nun erwacht das Leben, aber ein Leben, das
jedes Geräusch vermeidet. Vas Wort: „Majestät schläft noch" liegt über
der gesamten Mannschaft. In 20 Minuten sind alle, gewaschen, frisiert
und abgebürstet, an Deck angetreten, um die notwendigen Keinigungs-
arbeiten am Schiff vorzunehmen. 6 Uhr 50 Min. ertönt das Signal
„Backen und Banken", d. h. Kufbauen der Tische und Bänke und vor¬
bereiten zum Frühstück.
Unterdessen haben sich die Herren des Gefolges und die Gäste des
Kaisers auf dem Promenadendeck versammelt. Bald erscheint der Kammer¬
diener des Kaisers und macht dem Kommandanten die Mitteilung, daß
der Kaiser aufgestanden ist und gebadet hat. Sofort durchpulst ein neues
Leben den Körper des Schiffes. Die Telegraphen klingeln durch die
Bäume und wiederholen nach der Kommandobrücke: „Beide Maschinen —
große Fahrt."
Hundegekläff von Strolch und hexe, des Kaisers beiden Lieblings¬
dackeln, die ihren Herrn jetzt springend bewillkommnen, zeigt an, daß der
Kaiser soeben die Kajüte verlassen hat und auf dem Achterdeck erschienen
ist. Der erste Mann, sei es Unteroffizier, Matrose oder Heizer, der ihn
hier erblickt, ruft mit lauter, vernehmlicher Stimme: „Ordnung!" Dan¬
kend grüßt der Kaiser seine blauen Jungen und steigt, das Fernrohr
unterm 5lrm, die Treppe zum Promenadendeck hinauf, während hinter
ihm jeder Mann stillschweigend seine Beschäftigung wieder aufnimmt.
Mit einem lauten fröhlichen „guten Morgen" begrüßt der Kaiser
seine Familie, das Gefolge und seine Gäste, hierauf statten Komman¬
dant und Erster Offizier dem Kaiser Kapport ab und nehmen die Be¬
fehle für den. kommenden Tag entgegen. Tine Minute vor 8 Uhr meldet
der Offizier: „Zeit zur Flaggenparade." Bus ein „Ja" des Kaisers
kommandiert der wachhabende: „Oberdeck stillgestanden, hüte ab, acht
Glas, heiß Flagge!" Jeder Mann an Deck hat sich, während die Schifss-
glocke die achte Stunde anschlägt, dem Symbol des Vaterlandes zuge¬
wendet. Unteroffiziere und Mannschaften, die an Bord der Kaiserjacht
am Tag einen breitrandigen Strohhut tragen, und die Herren vom Zivil
haben den Hut abgenommen, während der Kaiser und die Offiziere mili¬
tärisch die Flagge begrüßen, die jetzt unter den Klängen des hohenzollern-
präsentiermarsches und nachfolgender Kaiserhymne langsam am Flaggen¬
stock aufsteigt. Kuf den Befehl: „Kührt euch!" werden die hüte wieder
aufgesetzt, die Musik tritt ab, und jeder geht seiner Beschäftigung
wieder nach.
Bis 9 Uhr geht der Kaiser im Gespräch mit der Kaiserin oder einem