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stehen. Es verstellt sich, als sei es lahm und könne nicht schnell
springen. Die Leute laufen ihm nach. Das Reh lockt sie von
seinem Kälbchen im Lager hinweg, weiter und weiter. Endlich,
wenn es denkt, daß sein Kindchen gesichert ist, trabt es schneller
und schneller. Die Leute verlieren es bald im dichten Gebüsch
aus den Augen. Nachher kehrt es in großem Bogen auf einem
Umwege zum Rehkälbchen zurück. Dieses ist der Mutter folgsam
gewesen und liegt noch mäuschenstill auf demselben Fleck. Da—
durch ward es gerettet.
Es ist auch für ein Rehkälbchen sehr gut, wenn es darauf
merkt, was die Mutter wünscht, und wenn es genau nach ihrem
Willen tut. Es wird dadurch vor Gefahren und vielen Nöten
bewahrt. Menschenkinder tun auch also; denn sie sind ja noch
verständiger als Rehkälbchen.
Hermann Wagner.
161. Das Vöglein in der Wiege.
In der Wiegen
seh' ich liegen
dort ein kleines Vögelein;
und es streckt sich
und es reckt sich
in dem Nestchen warm und klein.
Leise gehet,
leise wehet
durch die Zweige hin der Wind;
auf und nieder,
hin und wieder
schaukelt er das Vogelkind.
Unter Zweigen,
die sich neigen,
schlummert still das Kindlein traut;
durch die grünen
Laubgardinen
Sonne nach der Wiege schaut.